In der Zeitschrift Fertility & Sterility erscheint eine Serie kurzer Artikel zum Thema „Aborte“, die ich in diesem etwas längeren Blog-Beitrag zusammenfassen möchte.

Die Prävalenz von Aborten wird in einem dieser Artikel auf 15-25% geschätzt, wenn nur klinische Aborte berücksichtigt werden. Bezieht man auch präklinische Aborte ein, so liegt die Prävalenz bei geschätzt 30-60%. Die meisten Aborte (80%) finden im 1. Trimenon statt. (Haley G. Genovese und Dana B. McQueen. The Prevalence of Sporadic and Recurrent Pregnancy Loss. Fertility & Sterility 2023; im Druck: 10.1016/j.fertnstert.2023.08.954)

5% der Paare werden zwei Aborte, 1% 3 oder mehr Aborte erleben. Als Ursache einer steigenden Rate von Aborten werden das höhere maternale Alter bei einer ersten Gravidität sowie die steigende Prävalenz einer Adipositas diskutiert, die sich von 1980 bis 2017 weltweit mehr als verdoppelt hat.

Eine viel diskutierte Ursache von Aborten sind NK-Zellen. Diese sind in einer der Arbeiten insofern auch Hauptthema. (Y.L.B.N. Béquet et al. THE ROLE OF UTERINE NATURAL KILLER CELLS IN RECURRENT PREGNANCY LOSS AND POSSIBLE TREATMENT OPTIONS. Fertility & Sterility 2023; im Druck: doi.org/10.1016/j.fertnstert.2023.08.949) NK-Zellen, so die Autorengruppe, machen 70% der uterinen Leukozyten während der Implantation aus. Ihre Rolle ist vornehmlich die Regulierung der immunologischen Reaktion und weniger die Zell-Lyse. Es wird spekuliert, dass eine zu hohe Konzentration von NK-Zellen zu einem erhöhten Blutfluss und erhöhtem oxidativen Stress während der Implantation führt, was wiederum das Abortrisiko erhöhen kann. Ein Beweis für diese erhöhte Konzentration konnte bislang auch in Meta-Analysen jedoch nicht erbracht werden.

Da die NK-Zellen Corticosteroid-Rezeptoren besitzen, wird schon seit langer Zeit ein Therapieansatz mit Corticosteroiden versucht, um die immunologische Reaktion positiv zu beeinflussen. 20 mg Prednisolon, so wird eine Studie zitiert, führen zu einer signifikanten Reduktion von NK-Zellen. Studien allerdings, die überzeugend eine erhöhte Lebendgeburtenrate durch die Gabe von Corticosteroiden belegen würden, gibt es nicht. Diejenigen Studien, die einen Therapieansatz mit Corticosteroiden versucht haben, konnten teilweise einen Vorteil zeigen, allerdings erhielten die Patientinnen auch niedrig dosiert ASS und teils Heparin in der Behandlungsgruppe, so dass der isolierte Effekt von Prednisolon unklar bleibt. Aktuell, so die Information dieser Arbeitsgruppe, laufen 4 prospektive, randomisierte Studien, um die Frage evidenzbasiert zu klären. Bis zum Vorliegen der Klärung sehen die Autor:innen es nicht als sinnvoll an, außerhalb von Studien mit Corticosteroiden bei Frauen mit habituellen Aborten zu therapieren.

Was aber sind mögliche Maßnahmen, um das Abortrisiko zu mindern? Auch dazu existiert eine Publikation in dieser Reihe. (Rima K. Dhillon-Smith et al. Interventions to prevent miscarriage. Fertility & Sterility 2023; im Druck: doi.org/10.1016/j.fertnstert.2023.08.955) Bezugnehmend auf Daten einer Meta-Analyse wird ausgeführt, dass die Modifizierung der Ernährung mit erhöhung des Anteils an Obst und Gemüse das Risiko von Aborten um etwa 50% senkt. Ein geringerer Effekt wird beschrieben für die Ernährung mit mehr Ballaststoffen, Meeresfrüchten und Eiern. Eine Assoziation des Abortrisikos mit einem Vitamin D Mangel wird beschrieben, einen Beweis dafür, dass eine Vtamin D Supplementierung das Abortrisiko senkt, gibt es jedoch nicht. Der Kaffeekonsum sollte auf 2 Tassen pro Tag reduziert werden und insofern 150 mg Coffein pro Tag nicht überschreiten. Sowohl ein Untergewicht wie ein Übergewicht sind assoziiert mit einem höheren Abortrisiko. Relevant ist zudem das Rauchen, wobei jede einzelne Zigarette pro Tag das Risiko um 1% steigert. Passivrauchen steigert das Abortrisiko um ungefähr 11%. Zudem benennen die Autor:innen zu wenig Schlaf und eine hohe Stressbelastung als Risikofaktoren für Aborte.

Medikamentös, so die Arbeitsgruppe, kommt die Gabe von Progesteron infrage, wenn bei anamnestisch habituellen Aborten in einer aktuellen Schwangerschaft wieder Blutungen auftreten. Die Gabe von ASS100 und Heparin ist im Rahmen eines Antiphospholipidsyndroms von Vorteil.

Ich hatte diese Frage an anderer Stelle in meinem Blog bereits diskutiert und ausgeführt, dass aufgrund der mittlerweile belastbaren Evidenz 100 mg ASS präkonzeptionell einen Vorteil bieten, wenn eine Patientin dies auch verlässlich täglich einnimmt. Progesteron ist in einer unauffälligen Schwangerschaft nicht vorteilhaft – da es andererseits nicht schadet und bei Blutungen und einer habituellen Abortneigung vorteilhaft ist, würde ich 3 x 10 mg Dydrogesteron als Gestagen oral ab positivem Schwangerschaftstest empfehlen.

Eine chirurgische Intervention mit Septumresektion bei einem Uterus septus ist gemäß dem Ergebnis einer prospektiv, randomisierten Studie, die die Autoren zitieren, nicht effektiv. Sie empfehlen aufgrund des operativen Risikos und des Risikos von Adhäsionen keinen solchen operativen Eingriff.

Die Empfehlungen dieser Arbeit zur Ernährung sind einfach umzusetzen und offenbar effektiv – man sollte daran denken und eher diese Dinge empfehlen als z.B. auf eine nicht-bewiesene Therapie mit Prednisolon zur Behandlung uteriner NK-Zellen zu setzen (s.o.).

Eine vierte Arbeit in dieser Serie schließlich beschäftigt sich mit genetischen Ursachen. (Pedro Melo et al. Genetic causes of sporadic and recurrent miscarriage. Fertility & Sterility 2023; im Druck: doi.org/10.1016/j.fertnstert.2023.08.952) Bei 50% der Aborte findet sich eine chromosomale Auffälligkeit. Beim Vergleich des Abortmaterials von Frauen mit einem ersten Abort oder habituellen Aborten ist die Wahrscheinlichkeit chromosomaler Störungen nicht häufiger, was belegt, dass die Ursache habitueller Aborte nur in den seltensten Fällen zytogenetisch bedingt ist. Genetische Veranlagungen der Eltern allerdings, die die Immunantwort, die Hämostase, Metabolismus oder die Angiogenese betreffen, finde sich in einer Meta-Analyse assoziiert mit habituellen Aborten. Inwieweit zukünftig genetische Untersuchungen zur Verfügung stehen, um Ursachen auf Seiten der Eltern zu identifizieren, die medikamentös therapiert oder durch eine Präimplantationsdiagnostik selektiert werden können, ist spekulativ und – meiner Meinung nach – aufgrund der Komplexitität, die sich dahinter verbergen wird, keine Entwicklung, die in den nächsten 5-10 Jahren relevante Änderungen bringen wird.

Ihr

Michael Ludwig