Ulipristalacetat (UPA) ist ein selektiver Progesteronrezeptormodulator, der als Notfallkontrazeptivum die Ovulation verzögern soll – vorausgesetzt, die Ovulation steht noch bevor. Da hormonelle Kontrazeptiva allesamt Gestagene enthalten, stellt sich die klinisch relevante Frage: Kann eine unmittelbar nach UPA begonnene hormonelle Kontrazeption die UPA-Wirkung abschwächen? Und umgekehrt – wird die Wirkung hormoneller Kontrazeptiva durch UPA beeinflusst? Eine systematische Übersichtsarbeit hat vier Studien identifiziert, die dieser Frage empirisch nachgehen. Die Ergebnisse erlauben eine differenzierte Betrachtung – mit konkreten Konsequenzen für die klinische Beratung. (Emily M. Snyder et al. Hormonal Contraception after Use of Ulipristal Acetate as Emergency Contraception: A Systematic Review. Contraception 2025;121:110898. doi: 10.1016/j.contraception.2025.110898)
Die Studien lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Zwei Arbeiten untersuchten, ob UPA die Wirkung hormoneller Kontrazeptiva beeinträchtigt – und zwei, ob hormonelle Kontrazeptiva die Wirkung von UPA verringern. Die Studienpopulationen waren homogen: gesunde Frauen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, mit regulären Zyklen und einem BMI < 30 kg/m². Als Endpunkt wurde nicht der Eintritt einer Schwangerschaft, sondern eine Ovulation als Surrogatparameter gewählt..
Die erste relevante Studie stammt von Cameron et al. (Human Reproduction 2015;30:1566–1572). In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie erhielten 76 Frauen UPA oder Placebo bei einer Follikelgröße von > 13 mm gefolgt am Folgetag von einem kombinierten oralen Kontrazeptivum (30 µg Ethinylöstradiol / 150 µg Levonorgestrel) über 21 Tage. Die Ovulationsraten waren praktisch identisch: 33 % (UPA) vs. 32 % (Placebo). Auch die ovarielle Ruhe wurde in beiden Gruppen in 62 % erreicht. Die Autoren schließen daraus, dass UPA die Wirksamkeit des kombinierten Kontrazeptivums zur Ovulationshemmung nicht beeinträchtigt..
Eine ähnliche Fragestellung verfolgte Banh et al. (Contraception 2020;102:145–151), allerdings im Szenario verpasster Einnahme eines kombinierten Kontrazeptivums. In dieser randomisierten Studie setzten 49 Frauen ihr Präparat (30 µg Ethinylöstradiol / 150 µg Levonorgestrel) für drei Tage ab, nahmen dann UPA ein, und begannen entweder sofort oder erst fünf Tage später wieder mit dem kombinierten Kontrazeptivum. Interessanterweise trat in beiden Gruppen innerhalb der ersten fünf Tage nach UPA keine Ovulation auf. In der Gruppe mit verzögertem Wiederbeginn kam es jedoch bei vier Teilnehmerinnen (17 %) zwischen Tag 15 und 17 des Zyklus zu Ovulationen – in der Sofortstart-Gruppe bei keiner. Die Autor:innen interpretieren das als Vorteil des sofortigen Neustarts, doch bei näherer Betrachtung zeigt die Studie nicht, dass UPA die Ovulation verzögert oder verhindert hat, sondern dass das kombinierte Kontrazeptivum effektiv wirkte, wenn es sofort genommen wurde. Ließ man jedoch 5 Tage verstreichen, konnten sich Follikel weiter entwickeln und die Hemmung der ovariellen Aktivität bzw. die Verhinderung einer Ovulation funktionierte auch mit einem kombinierten Kontrazeptivum nicht mehr sicher.
Anders gelagert sind die beiden Studien, die sich der umgekehrten Fragestellung widmen – nämlich, ob hormonelle Kontrazeptiva die Wirkung von UPA beeinträchtigen. Die deutlichsten Ergebnisse liefert hier Brache et al. (Hum Reprod 2015;30:2785–2793). In einem Crossover-RCT erhielten 49 Frauen entweder UPA gefolgt von einem Gestagenmonopräparat (Desogestrel 75 µg), UPA gefolgt von Placebo, oder Placebo gefolgt von Desogestrel. In der Gruppe mit sofortiger Desogestreleinnahme nach UPA kam es bei 45 % der Frauen innerhalb von 5 Tagen zur Ovulation, verglichen mit nur 3 % bei UPA+Placebo (p=0.0054). Auch die mediane Zeit bis zur Ovulation unterschied sich signifikant (4 vs. 8 Tage, p<0.0001). Diese Ergebnisse legen eine deutliche Abschwächung der UPA-Wirkung durch das Gestagen nahe.
Ein vergleichbares Bild zeigt die Arbeit von Edelman et al. (Contraception 2018;98:463–466). In dieser prospektiven Kohortenstudie erhielten 36 Frauen in zwei Zyklen je einmal UPA: im ersten Zyklus ohne weitere Intervention, im dritten Zyklus wurde zwei Tage nach UPA mit einem kombinierten oralen Kontrazeptivum begonnen (30 µg Ethinylöstradiol / 150 µg Levonorgestrel). Während im ersten Zyklus nur 3 % der Frauen innerhalb von 5 Tagen ovulierten, waren es im dritten Zyklus 27 % (p=0.008). Auch in dieser Studie zeigt sich eine signifikante Beeinträchtigung der ovulationsverzögernden Wirkung von UPA durch die nachfolgende Hormoneinnahme.
Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: UPA beeinträchtigt nicht die Wirksamkeit hormoneller Kontrazeption, weder bei Neustart (Cameron et al.) noch nach vergessener Einnahme (Banh et al.). Allerdings, das hat aber nichts mit dem UPA zu tun, wirkt nach 5 Tagen Verzögerung mit zusätzlich 3 Tagen „Vergessen“ also 8-tägiger Nicht-Einnahme ein kombiniertes Kontrazeptivum nur noch sehr eingeschränkt.
Umgekehrt kann aber die unmittelbare Einnahme hormoneller Kontrazeptiva die Wirkung von UPA empfindlich stören.
Sowohl die aktuelle US-Richtlinie (US Selected Practice Recommendations, 2024) als auch die aktuelle S3 Leitlinie Kontrazeption empfehlen daher, mindestens 5 Tage mit dem Beginn hormoneller Kontrazeption nach UPA zu warten – und zusätzlich für 7 Tage Barrieremethoden zu verwenden.
Und weil ich es mir nicht verkneifen kann: Ich rede und schreibe schon seit 2015 darüber – seitdem die erste Publikation dazu erschienen sind.
Ihr
Michael Ludwig
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