Eine Arbeitsgruppe hat die Fragestellung untersucht, inwieweit eine funktionelle Amenorrhoe korrliert ist mit Markern einer endothelialen Dysfunktion als Frühzeichen eines kardiovaskulären Risikos. (Chrisandra L. Shufelt et al. Functional Hypothalamic Amenorrhea and Preclinical Cardiovascular Disease. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2024; 109: e51-e57)

Verglichen wurden Frauen mit funktioneller Amenorrhoe (n = 30), Eumenorrhoe (n = 29) und postmenopausaler Frauen (n = 30). Für die Diagnose einer funktionellen Amenorrhoe musste der Östradiolwert < 50 pg/ml, FSH und LH < 10 IE/l liegen. Als Marker wurde der reaktive Hyperämie Index (reactive hyperemia index, RHI) verwendet. Dazu wird nach einer Basismessung am nicht-dominanten Arm die Amplitude zur Re-Perfuxion nach Okklusion der Armarterien mit einer Blutdruckmanschette gemessen. Dies geschieht mittels Drucksensoren am Mittelfinger. Der dominante Arm wird ebenfalls parallel als Kontrolle gemessen.

Für die Definition einer funktionellen Amenorrhoe mussten andere Ursachen der Amenorrhoe ausgeschlossen sein. Die postmenopausalen Frauen durften keine hormonelle Therapie erhalten haben, sie waren im Mittel 53,3 ± 2,6 Jahre alt, die Frauen in der Studiengruppe 26,2 ± 6,3 Jahre und die eumenorrhoischen Kontrollen 30,3 ± 3,7 Jahre. Der BMI war in den drei Gruppen vergleichbar (21,5 ± 3,3 kg/m2 in der Studiengruppe, 21,8 ± 2,0 kg/m2 bei den eumenorrhoischen Kontrollen und 23,5 ± 4,2 kg/m2 in der postmenopausalen Kontrollgruppe).

Der RHI war in der Studiengruppe der Frauen mit funktioneller Amenorrhoe signifikant niedriger als in den beiden Kontrollgruppen (1,8 ± 0,5 vs. 2,2 ± 0,5 vs. 2,2 ± 0,6, p = 0,008). Systolischer und diastolischer Blutdruck sowie die Basis-Herz-Frequenz waren jedoch ebenfalls signifikant niedriger. Dies bedeutet ein signifikant höheres kardiovaskuläres Risiko bei dieser Patientinnengruppe im Vergleich zu den postmenopausalen und eumenorrhoischen Kontrollfrauen. Dies ist offensichtlich nicht allein Folge des niedrigen Östradiols, da dies ähnlich niedrig war bei den postmenopausalen Frauen.

Der Mechanismus für diese Beobachtung ist nicht klar. Die Autor:innen diskutieren den Hypercortisolismus als eine relevante Ursache. Interessanterweise konzentriert sich die Diskussion wesentlich auf die besondere Sub-Gruppe von amenorrhoischen Frauen im Rahmen einer außerordentlichen sportlichen Aktivität (Athletinnen) sowie Frauen mit einer Essstörung, insbesondere einer Anorexie. Für diese ist aus der Literatur der chronische Hypercortisolismus bekannt – insofern ist dies nicht verwunderlich. Problematisch scheint mir jedoch, dass die Gruppe der Frauen mit funktioneller Amenorrhoe oder – wie ich es in „meiner endokrinologischen Welt“ nenne – einer zentralen Regulationsstörung deutlich größer ist als die hier fokussierte. Da allerdings auch in anderen Fällen – außerhalb der Athletinnen und Anorektikerinnen – ein chronisch erhöhter Stresslevel ursächlich sein wird, sind die Daten zumindest übertragbar auf die Gesamtgruppe, wenn ggf. auch nicht so pointiert, wie in dieser Studie gezeigt. So wird es auch in der Diskussion des Artikels besprochen. Was bedeutet das für die langfristige Gesundheit dieser Frauen? Während ein Verlust der Knochendichte durch einen chronischen Östrogenmangel kaum mehr eingeholt werden kann im weiteren Leben, sieht dies bei einem pathologischen RHI anders aus, da dies ein präklinischer Risikomarker ist. Heißt: Wenn man dauerhaft mit einem RHI lebt, kann dies zu einer Arteriosklerose und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko führen. Ob man dieser Entwicklung allein mit einer Östrogenisierung entgegen wirken kann, ist zumindest fraglich – möglicherweise kann man den Progress ausbremsen, aber das ist spekulativ.

Der interessante Aspekt und die Schlussfolgerung aus den Beobachtungen dieser Studie ist, dass man dem Fortschreiten einer kardiovaskulären Erkrankung nur durch „Heilung“ der zentralen Regulationsstörung entgegen wirken kann, also in einer Therapie des „Stressors“. Das ist in einigen Fällen unmöglich, da der „Stressor“, der Auslöser, trotz intensiver Anamnese nicht erkennbar ist, in anderen, da der „Stressor“ das „normale Leben“ mit seinen Herausforderungen ist, die individuell als „Stressor“ wahrgenommen werden und zur Amenorrhoe führen.

In jedem Fall eine wichtige Studie!

Ihr

Michael Ludwig