Primordialfollikel haben 4 mögliche Schicksale: in Ruhe in diesem Stadium zu verharren, direkt in diesem Stadium zerstört zu werden, zu wachsen und dann im Rahmen der Follikelatresie einen Zelltod zu erleben oder  zu wachsen und bis zur Ovulation zu kommen. Eine Chemotherapie hat je nach Inhaltsstoffen verschiedene mögliche Angriffspunkte. Cyclophosphamid z.B. schadet nicht durch eine Toxizität auf ruhende oder wachsende Follikel sondern durch eine exzessive Aktivierung von Primordialfollikeln, ein Phänomen, das auch als Burnout benannt wird. Wie es zu dieser Aktivierung kommt, wird diskutiert. Möglich ist der Effekt von z.B. Cyclophosphamid auf die Phosphatidylinositol-3-kinase (PI3K), die hochreguliert wird und verschiedene Faktoren orchestriert, die gemeinsam die Initiierung des Follikelwachstums aus dem Pool der Primordialfollikel bestimmen. Ein anderer Mechanismus mag sein, dass durch die Zerstörung wachsender Follikel die AMH-Spiegel fallen und so das Wachstum von Follikeln initiiert wird.

Eine experimentelle Arbeit an menschlichem Ovarialkortex von Frauen im Alter von 21-41 Jahren (mittleres Alter 31,8 ± 4,9 Jahre) wird nun publiziert. (Roseanne Rosario et al. Anti-Mullerian hormone attenuates both cyclophosphamide-induced damage and PI3K signalling activation, while rapamycin attenuates only PI3K signalling activation, in human ovarian cortex in vitro Rapamycin hemmt den PI3K-Wirkmechanismus. Human Reproduction 2024; im Druck: doi.org/10.1093/humrep/dead255)

In der Gewebekultur wurde der ovarielle Kortex mit einem Metaboliten des Cyclophosphamid behandelt und geprüft, wie sich die Gabe von Rapamycin, das den PI3K-Weg dämpft, und rekombinantem AMH parallel dazu protektiv auf die Ovarielle Reserve auswirkt.

Diese experimentelle Untersuchung zeigt, dass die gleichzeitige Applikation von AMH zur Gabe eines wirksamen Metaboliten des Cyclophosphamids die negative Wirkung auf die Primordialfollikel abschwächt. AMH hat auch eine dämpfende Wirkung auf die hoch-regulierte Aktivität des PI3K-Wegs, ähnlich wir Rapamycin.

Die Publikation unterstreicht eindrucksvoll den Pathomechanismus, über den Cyclophosphamid ovarial-schädigend wirkt und der bereits im Tiermodell gut untersucht ist. Offenbar ist diese Wirkung von Cyclophosphamid auch beim Menschen relevant. Die Studie zeigt auch, dass ganz offenbar die Wirkung von AMH doch früher in der Follikelregulation einsetzt, als in den letzten Jahren angenommen – eben nicht erst in der Hemmung des Wachstums bereits initiierter Follikel, sondern schon in der Hemmung der Aktivierung von Primordialfollikeln.

Sehr spannende interessante Daten, die unser Verständnis sowohl der medikamentösen Wirkung von Chemotherapeutika auf die Ovarfunktion als auch unser Verständnis zu grundsätzlichen Abläufen im Follikelwachstum erhellen.

Ihr

Michael Ludwig