Die Frage zum Mammakarzinomrisiko durch eine Östrogen-Mono-Therapie wird weiterhin diskutiert –zwei WHI-Autoren publizieren eine neue Arbeit, in der sie sich der Frage annehmen, woher die unterschiedlichen Risiken ihrer eigenen Arbeit, mit deutlicher Risikoreduktion, und anderer Arbeiten stammt. (Rowan T. Chlebowski und Aaron K. Aragaki. The Women’s Health Initiative randomized trials of menopausal hormone therapy and breast cancer: findings in context. Menopause, im Druck: DOI: 10.1097/GME.0000000000002154)

Vor wenigen Wochen hatte ich bereits eine andere Arbeit der WHI-Arbeitsgruppe mit ähnlicher Fragestellung kommentiert (https://optimist-verlag.de/blog/2022/10/04/mammakarzinom-risiko-durch-oestrogen-mono-therapie-gibt-es-eine-erklaerung-fuer-die-unklare-studienlage/)

In der jetzigen Publikation geht es den WHI-Autoren vor allem um den Vergleich mit der Meta-Analyse im Jahr 2019 (https://optimist-verlag.de/blog/2019/09/12/hrt-und-mammakarzinom/). Ich liste der Einfachheit halber die Argumente und deren Diskussion:

  • Könnte es schlicht Zufall sein? Nach einer Analyse des 5-Jahres-Risikos für ein Mammakarzinom nach dem Gail Modell war dieses Risiko in der Studien- und Kontrollgruppe mit 29,4% und 29,3% sehr vergleichbar.
  • Zwar war das Alter in der WHI-Studie hoch (63,6 ± 7,3 Jahre) gegenüber der in der Meta-Analyse (50 ± 5 Jahre), jedoch galt die Risikoreduktion in der WHI-Studie für alles Altersdekaden, auch für Frauen zwischen 50 und 59 Jahren.
  • Die Veränderung der mammographischen Dichte ist irrelevant, wenn man bedenkt, dass sowohl die Morbidität als auch die Mortalität gesenkt wurden – hätte sich die Mammadichte auf die mammographische Detektion ausgewirkt, so hätte die Mortalität steigen müssen.

Ein interessanter weiterer Punkt wird in dieser Publikation diskutiert: Könnte das Risiko im kombinierten Arm der WHI-Studie durch das MPA verursacht sein? Wäre das Risiko ggf. mit Progesteron zum Endometriumschutz geringer gewesen? Ich sehe in der Diskussion der beiden Autoren meine eigene Meinung bestätigt: Die Antwort ist „nein“ bzw. „es gibt keine Beweise dafür“, weil in den Studien mit Verwendung von Progesteron und niedrigerem Mammakarzin om-Risiko ein eher höheres Endometriumkarzinomrisiko bestand, was auf eine Unterdosierung des Progesterons deutet. Heißt: Wenn das Gestagen suffizient dosiert wird, um die Endometriumsicherheit bei kombinierter HRT sicherzustellen, ist das Mammakarzinomrisiko unabhängig vom verwendeten Gestagen erhöht. Dies ist auch Ergebnis der zitierten Meta-Analyse des Jahrs 2019 gewesen.

Die Frage um das Mammakarzinomrisiko insbesondere bei einer Östrogen-Mono-Therapie bleibt spannend. Das Risiko ist sicher (!) nicht so hoch wie bei einer kombinierten HRT. Es ist möglicherweise (!) gar nicht erhöht. Vielleicht (!) wird es gesenkt. Wann werden wir eine definitive Antwort bekommen – ich weiß es nicht. Bis dahin müssen uns diese Unklarheiten bei der Aufklärung unserer Patientinnen weiterhin genügen.

Ihr

Michael Ludwig