Eines meiner Lieblingsthemen unter dem großen Motto disease mongering (gemäß dem Buch von Lynn Payer aus dem Jahr 1994: https://books.google.de/books/about/Disease_Mongers.html?id=9kkOAAAACAAJ&redir_esc=y) ist die übermäßige Vergabe der Diagnose „PCO-Syndrom“. Dies wurde insbesondere getriggert durch die Rotterdam Kriterien seit Anfang der 2000er Jahre. Zudem wird die Diagnose eben nicht als Ausschlussdiagnose genutzt sondern andersherum erst einmal an jede Frau mit Androgenisierungserscheinungen und/oder Zylusstörungen vergeben, gerne dient sie auch als Erklärung für Gewichtszunahmen.

Aktuell komme ich wieder auf das Thema, weil eine Publikation aus China die weltweiten Daten für das PCO-Syndrom bzgl. des finanziellen Aufwands für eine Kinderwunschtherapie ausgewertet hat. (Xingyu Liu et al. Global, regional, and national burden of infertility attributable to PCOS, 1990–2019. Human Reproduction 2023; im Druck: doi.org/10.1093/humrep/dead241)

Die Auswertung kommt zu dem Schluss, dass ein PCO-Syndrom als Ursache einer Kinderwunschbehandlung von 6 Millionen Fällen 1990 auf 12,13 Millionen Fälle 2019 gestiegen ist. Warum ist das so? Weil es mehr Fälle eines PCO-Syndroms gibt oder – s. meine eingangs formulierte Ausführung – weil schlicht mehr und mehr Fälle unter dieser Diagnose subsummiert werden. Ich sehe letzteres als den Auslöser und die Erklärung, eben weil die diagnostischen Kriterien mehr und mehr aufgeweicht werden, ohne, dass jemand davon profitiert – v.a. nicht die betroffenen Patientinnen.

Vorteilhaft ist die Diagnose insbesondere für normalgewichtige und schlanke Frauen, die so um ihr höheres Risiko bzgl. einer Gewichtszunahme und eines metabolischen Risikos wissen.

Ihr

Michael Ludwig