Eine prospektive aus den Niederlanden wurde ausgewertet bzgl. der Frage, inwieweit die Anwendung oraler Kontrazeptiva vor einer Schwangerschaft Einfluss hatte auf Schwangerschaftsverlauf und Schwangerschaftsrisiken. (Anton Schreuder et al. Associations of periconceptional oral contraceptive use with pregnancy complications and adverse birth outcomes. International Journal of Epidemiology 2023; 1 – 12: doi.org/10.1093/ije/dyad045)

6.470 Schwangerschaften wurden eingeschlossen, die von 2012 bis 2019 zur Geburt gekommen waren. Berücksichtigt wurden ausschließlich orale Kontrazeptiva, keine Pflaster, Ringe, oder intrauterine Gestagene, Injektionen bzw. Implantate. Eingeschlossen waren ausschließlich Einlingsschwangerschaften ohne vorangehende Kinerwunschbehandlung.

In 61,5% der Fälle waren orale Kontrazeptiva 4-12 Monate vor der Schwangerschaft beendet worden, in 36,2% 0-3 Monate vor der Schwangerschaft und in 2,2% im 1. Trimenon.

Jedewede Anwendung oraler Kontrazeptiva war assoziiert mit dem Risiko einer Präeklampsie (RR 1,38, 95% KI 0,99 – 1,93), einer Frühgeburt (RR 1,38, 95% KI 1,09 – 1,75) und eines niedrigen Geburtsgewichts (RR 1,45, 95% KI 1,10 – 1,92). Das Risiko eines Schwangerschafts-Hochdrucks (RR 1,09, 95% KI 0,91 – 1,31), eines Gestationsdiabetes (RR 1,02, 95% KI 0,77 – 1,36) und eines SGA (RR 0,96, 95% KI 0,75 – 1,21). Am höchsten war die Assoziation mit einer Präeklampsie bei kurzristigem Absetzen (0-3 Monate) bei Präparaten mit 30 µg Ethinylöstradiol und die Gestagene der sogenannten 1. und 2. Generation. Frühgeburt und niedriges Geburtsgewicht wiederum fanden sich v.a. bei Präparaten mit unter 30 µg Ethinylöstradiol bei Gestagenen der sogenannten 3. Generation, das SGA-Risiko bei Präparaten mit unter 30 µg Ethinylöstradiol und Gestagenen der 3. und 4. Generation.

Die Autor:innen spekulieren, dass die Östrogene in den kombinierten Kontrazeptiva über den Einfluss auf den Blutdruck verantwortlich sind für das erhöhte Präeklampsie-Risiko – was dagegen spricht, meiner Meinung nach, ist die Tatsache, dass der isolierte Schwangerschaftshypertonus keine Assoziation gezeigt hat. Zudem werden nicht weiter präzisierbare metabolische Effekte oder der Einfluss auf das CRP diskutiert. Bei ihrer Schlussfolgerung resümmiert die Arbeitsgruppe, dass es ein Abwägen der Vor- und Nachteile ist und die Daten nicht gegen die Anwendung oraler Kontrazeptiva sprechen. Ideal wäre, so die Autor:innen, wenn man bereits 1 Jahr vor geplanter Konzeption zu einer nicht-hormonellen Methode wechselt.

Ich kann diese Schlussfolgerung verstehen. Allerdings ist bei aller Sauberkeit der Daten ein gewisser Bias nicht auszuschließen. Überraschend ist meiner Meinung nach die Heterogenität der Assoziationen mit verschiedenen Gestagenen und Östrogenen, was keinen klaren Pathomechanismus erkennen und insofern vermuten lässt, dass es weitere ggf. anamnestische Risikofaktoren oder anamnestische Eigenarten gibt, die mit dem Verschreibungsverhalten assoziiert sind. Vielleicht aber wissen wir noch nicht genügend über die enthaltenen Wirkstoffe. Auch das ist nicht auszuschließen.

Ihr

Michael Ludwig