Das Thema „Schilddrüse und Schwangerschaft“ ist ein Dauerbrenner, immer wieder kommen Daten dazu – manche schwerer einzuordnen als andere, manche hilfreich, um das bestehende Bild abzurunden oder in bestimmten Nuancen weiter zu präzisieren.

Nun wird eine Sekundäranalyse der TABLET Studie (Thyroxine AntiBodies and LEvothyroxine Trial) publiziert, einer Studie, in der Frauen mit positiven TPO-Antikörpern und Euthyreose randomisiert und doppelt-blind 50 µg L-Thyroxin oder ein Placebo erhielten. (Sofia Gill et al. Evaluating the Progression to Hypothyroidism in Preconception Euthyroid Thyroid Peroxidase Antibody–Positive Women. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, 2023, 108, 124–134)

Euthyreose war in der TABLET Studie definiert als ein TSH von 0,44 – 3,63 mIE/l bei einem fT4 von 10,0 – 21,0 pmol/l. 952 Frauen waren eingeschlossen, 940 randomisiert therapiert worden.

10-15% euthyreoider Frauen zeigen TPO-Antikörper – in dieser Studie waren Frauen mit einer Subfertilität oder vorangegangenen Aborten eingeschlossen worden. Das Ergebnis war eindeutig: Die Gabe von L-Thyroxin machte keinen Unterschied in der Lebendgeburtenrate ≥ 34 Schwangerschaftwochen oder irgendeiner Veränderung auf Seiten von Mutter oder Kind. Damit wurden die Daten der POSTAL-Studie und T4Life-Studie bestätigt.

Dies nun publizierte Sekundäranalyse der Daten beschäftigte sich mit der Frage, in welchem Prozentsatz es in den beiden Studienarmen – mit und ohne Substitution – zur Entwicklung einer subklinischen Hypothyreose, einer manifesten Hypothyreose oder einer Thyreotoxikose, letzteres definiert als iatrogene Hyperthyreose, kam, und inwieweit sich diese Subgruppen im Schwangerschaftsverlauf und -outcome unterschieden.

89 Frauen entwickelten eine Pathologie, 63 eine subklinische Hypothyreose, 7 eine manifeste Hypothyreose und 19 eine Thyreotoxikose. Somit entwickelten 7,4% eine subklinische oder manifeste Hypothyreose. 72 der 89 (84%) entwickelten die Pathologie innerhalb von 6 Monaten nach Studieneintritt. Diejenigen, die die Pathologie erst in der Schwangerschaft entwickelten, taten dies meist im ersten Trimenon (12/14), 2 im 2. Trimenon.

Die 7,4% liegen im unteren Bereich dessen, was in der Literatur beschrieben wird (3,5 – 41%).

Die Wahrscheinlichkeit, eine Hypothyreose zu entwickeln, war geringer unter L-Thyroxin-Supplementierung, auch wenn dies keine statistische Signifikanz erreichte (27/470 vs. 43/470, RR 0,63, 95% KI 0,39 – 1,00, p = 0,05). Die Wahrscheinlichkeit, innerhalb von 12 Monaten nicht schwanger zu werden, war unabhängig von einer L-Thyroxin-Anwendung, die Lebendgeburtenrate allerdings war schlechter, wenn die TPO-Antikörper-positiven Studienteilnehmerinnen, die eine subklinische oder manifeste Hypothyreose entwickelten, nicht mit L-Thyroxin substituiert waren als wenn sie in der Therapie-Gruppe waren (RR 0,31, 95% KI 0,10 – 0,91, p = 0,03).

Was bedeutet das nun? Auch wenn ich einerseits nicht müde werde, darauf hinzuweisen, dass wir das Thema „Schilddrüse“ nicht überstrapazieren sollten und eine Über-Therapie unbedingt vermeiden müssen, habe ich auch immer den Standpunkt vertreten, dass man wegen der bleibenden Unklarheit bzgl. der kindlichen Gesundheit die Schilddrüse auch nicht außer Acht lassen darf. Heißt: Die Beurteilung des TSH in der Frühschwangerschaft und die Substitution bei einem TSH > 2,5 mIE/l ist ein guter Richtwert. Damit tut man extrem viel, um die Problematik, die in dieser Sekundäranalyse dargestellt wird, zu lösen. Denn zwei Dinge, sind relevant unterschiedlich oder „lockerer“ in der TABLET-Studie als bei diesem Vorgehen: (1) Ein wesentlicher Punkt ist, dass eine Hypothyroese außerhalb der Schwangerschaft bei einer Obergrenze von 3,63 mIE/l angenommen wurde, in der Schwangerschaft je nach Assay bei über 3,5 mIE/l oder 4,0 mIE/l. (2) Interessant war weiterhin, dass diejenigen, die eine subklinische oder manifeste Hypothyreose entwickelten, tendentiell höhere TSH-Werte beim Screening aufwiesen (Median 3,00, IQR 2,00 – 3,00 vs. Median 2,00, IQR 1,00 – 3,00, p < 0,001).

Geht man so vor, so hat man eine sehr hohe Chance, diejenigen 7,4% zu entdecken, die bei klinisch unerkannter euthyreoter Autoimmunthyreopathie eine subklinische oder manifeste Hypothyreose in der Frühschwangerschaft entwickeln. Zwar erlauben die TABLET-Daten keine diesbezügliche Analyse, aber die dort beschriebenen unterschiedliche Mediane für diejenigen, die ein Risiko hatten gegenüber denjenigen, die keine Hypothyreose entwickelten, sprechen dafür. Zudem ist der gängige Grenzwert von 2,5 mIE/l noch einmal deutlich niedriger als der in der Studie angelegte von 3,63 mIE/l.

Schließlich weist die Autorengruppe darauf hin, dass eine Überbehandlung im Sinne zu hoher fT4-Werte eine kritische Bedeutung für die Schwangerschaft und die Kinder haben kann – ein Thema, das ich in diesem Blog auch schon anhand entsprechender Studiendaten diskutiert habe. Insofern sollte man das TSH, wenn man L-Thyroxin gibt, zumindest einmal pro Trimenon oder alle 8 Wochen kontrollieren.

Ihr

Michael Ludwig