Die Diagnose einer prämaturen Ovarialinsuffizienz bedeutet einen langfristigen Östrogenmangel bereits viele Jahre vor dem mittleren Menopausenalter von 51 Jahren. Die Diagnose wird gestellt, wenn eine hypergonadotrope Ovarfunktionsstörung vor dem 40. Geburtstag besteht.

Es ist bekannt, dass diese Patientinnen ein erhöhtes Morbiditätsrisiko haben. An verschiedener Stelle habe ich auch in diesem Blog bereits dazu berichtet.

Nun wird eine prospektive Untersuchung an 11.258 Australierinnen erscheinen, die 1996 zwischen 45 und 50 Jahre alt waren und dann im follow-up bis 2016 etwa alle 3 Jahre evaluiert wurden. Als chronische Erkrankungen wurden Diabetes mellitus, Blutdruckdruck, Herzerkrankungen, Schlaganfall, Arthritis, Osteoporose, Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Angststörungen und Mammakarzinom gezählt (Xiaolin Xu et al. Age at natural menopause and development of chronic conditions and multimorbidity: results from an Australian prospective cohort. Human Reproduction, im Druck).

Bei 5.107 Frauen ohne chirurgisch induzierte Menopause und ohne Hormoneinnahme lagen das Datum des Menopausenalters vor und Daten zur Prävalenz chronischer Erkrankungen bei der Basisanalyse (2010), bei 119 (2,3%) bestand eine prämature Ovarialinsuffizienz (< 40 Jahre) – etwas höher, als man grundsätzlich annimmt (1%). Bei weiteren 4.196 Frauen der 11.258 war die Menopause chirurgisch induziert worden (Ovarektomie), weitere 2.678 hatten zu irgendeiner Zeit Hormone genommen, so dass der Menopausenzeitpunkt unklar war – diese beiden Gruppen wurden daher nicht in der Analyse berücksichtigt.

Frauen mit einer prämaturen Ovarialinsuffizienz hatten in nur 42% zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses zu irgendeiner Zeit Hormone angewendet! Allein diese Zahl unterstreicht die Wichtigkeit dieser Untersuchung in Hinblick auf die Mangelversorgung dieses Kollektivs.

Bzgl. des Studienziels zeigte sich, dass Frauen mit prämaturer Ovarialinsuffizienz gegenüber denen, die im Alter von 50-51 Jahren die Menopause erlebten (Referenzpopulation) etwa zweimal häufiger zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses chronischer Erkrankungen hatten (OR 1,98, 95% KI 1,31 – 2,98) und dreimal häufiger in den Jahren danach eine chronische Erkrankung entwickelten (OR 3,03, 95% KI 1,62 – 5,64).

Ich halte diese Studie für sehr wertvoll, weil sie uns wieder vor Augen führt, welche besondere Beachtung diese zugegeben kleine Gruppe von Patientinnen benötigt.

Ihr

Michel Ludwig