Ich wurde in den letzten Tagen schon zweimal gefragt, ob eine Mirena höhere Cortisolspiegel verursacht. Meine Antwort ist nein. Dennoch habe ich mich gefragt, woher diese Frage rührt. Unter kombinierten Kontrazeptiva sind erhöhte Cortisolspiegel bekannt, da durch das enthaltene Ethinylöstradiol die Spiegel von Cortisol-bindendem Gloublin erhöht werden, somit das freie Cortisol fällt und das Gesamt-Cortisol konsekutiv stimuliert wird.

Levonorgestrel allein hat keinen solchen Effekt, v.a. nicht die Mirena oder ein anderes LNG-IUD, die zu minimalen systemischen Levonorgestrel-Konzentrationen führen.

Auf der Suche nach der Quelle dieser Frage bin ich auf eine vor wenige Monaten publizierte Studie gestoßen (J. Aleknaviciute et al. The levonorgestrel-releasing intrauterine device potentiates stress reactivity. Psychoneuroendocrinology. 2017; 80:39-45). Diese Autoren haben in einer Studie Frauen mit einer Mirena zu solchen mit kombiniertem Kontrazeptivum (30 µg Ethinylöstradiol und 150 µg Levonorgestrel) und solchen mit Spontanzyklen verglichen. In unterschiedlichen Studienarmen zeigte sich eine erhöhte stressinduzierte Cortisolausschüttung unter der Mirena sowie in den Haaren erhöhte Cortisolspiegel als Maß für die Langzeitausschüttung. Konsequenz der Autoren: ein LNG IUD verursacht zentralnervös eine erhöhte Empfindlichkeit des autonomen Nervensystems und der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse.

Grundsätzlich geben die Daten diese Schlussfolgerung natürlich her – aber ist das logisch nachvollziehbar? Nein. Wenn die Hormone aus der Mirena diesen Effekt haben, dann sollten die wesentlich höher dosierten Hormone in dem kombinierten Kontrazeptivum allemal diese Auswirkung haben. Ist es das IUD „per se“, die zu diesen Veränderungen führt? Dann wäre eine Kontrollgruppe mit einem Kupfer-IUD sinnvoll gewesen. Oder hat es etwas mit dem Klientel zu tun, das die Mirena nutzt, gibt es da Risikofaktoren, die auch die erhöhten Cortisolspiegel erklären? Wie auch immer die Erklärung ist: Die simple Erklärung, es sei das Levonorgestrel der Mirena, die diese Auswirkungen hat, erscheint mir wissenschaftlich höchst unplausibel. Ich warte auf weitere Daten, bevor ich weiter darüber spekuliere, wo der Grund für diese Beobachtung liegen könnte.

Ihr

Michael Ludwig