Auf Frontal21 lief vorgestern, 11. April, ein Beitrag zur Mirena (https://www.zdf.de/politik/frontal-21/frontal-21-vom-11-april-2017-100.html). Zu Wort kamen Frauen, die erhebliche Beschwerden hatten, während sie die Mirena trugen. Berichtet wird über Sarkoidose, Sinus-Venen-Thrombose, Pseudotumor cerebri als Nebenwirkungen von Levonorgestrel. Bereits im Juli 2016 gab es in derselben Sendung einen Beitrag, in dem auch über Brustkrebs, Eileiterschwangerschaften, Gebärmutterperforationen und Eierstockzysten als Tumorvorstufe berichtet wurde. Beide Beiträge beschäftigen sich auch mit der Vermutung, dass psychiatrische Erkrankungen signifikant häufiger auftreten.
Was ist dran an diesen „Fakten“? Rein wissenschaftlich, nichts. Keine Studien, die derartiges berichten. Bzgl. des Thromboserisikos kann man heute bewiesener Maßen davon ausgehen, dass dies definitiv nicht erhöht ist. Tumore an Brust und Ovarien treten nicht häufiger auf. Allerdings ist bekannt und sollte definitiv Bestandteil eines jeden Beratungsgesprächs sein, dass Eierstockzysten häufiger auftreten, v.a. in den ersten Monaten und 1-2 Jahren – dies ist ein parakriner Effekt des Levonorgestrels, der zu anovulatorischen Zyklen führt. Jaydess und in Zukunft Kayleena haben diese Nebenwirkung seltener bzw. dies ist nicht häufiger zu erwarten als in unbehandelten Zyklen.
Kommt es zu mehr Eileiterschwangerschaften? Laut umfangreichen Datensammlungen: nein. Dies gilt v.a., wenn man bedenkt, dass grundsätzlich sowieso kaum Schwangerschaften unter einer Mirena eintreten.
Was also ist dran, an diesem Fernsehbeitrag? Es mag durchaus sein, dass einzelne Frauen unter einer Mirena außergewöhnliche unerwünschte Wirkungen erleben, das kann niemand bestreiten. Grundsätzlich, das sage ich Patientinnen schon viele Jahre, können im Einzelfall Hormone immer für die absonderlichsten Dinge verantwortlich sein. Im Großen und Ganzen aber sprechen alle vorliegenden Daten dagegen, dass die Mirena regelmäßig und häufig zu solch erheblichen Nebenwirkungen führt, wie in dem Beitrag dargestellt.
Leider wurde bei Frontal 21 gleich noch ein Levonorgestrel-Implantat aufgegriffen – Jadelle – das zu häufigen Blutungsstörungen führt. Nun überrascht das wiederum niemanden – das kennen wir von Implanon auch so, das wiederum enthält ein anderes Gestagen. Patientinnen werden zitiert, die bedauern, dass sie die 3-Monats-Spritze nicht mehr anwenden, da sei es nicht zu Blutungsstörungen gekommen. Nein, gewiss nicht, dafür gibt es ein signifikant erhöhtes Risiko für Osteoporose und bei mehrjähriger Anwendung für Frakturen.
Es gibt kein Arzneimittel und insofern auch kein Hormonpräparat, das nur Vorteile hätte und keine unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Hier ging es aber eher darum – schien mir – die angebliche Profitgier des Bayer-Konzerns in den Vordergrund zu stellen und nicht, sich sachlich mit nachgewiesenen Nebenwirkungen von Mirena auseinander zu setzen.
Eines ist sicher: Nach diesem Beitrag werden zahlreiche Mirena-Anwenderinnen ihre aktuellen Beschwerden – egal was – auf die Mirena projizieren. Sie werden darüber in Foren und sozialen Medien berichten, andere werden das bestätigen – denn es gibt viele Mirena-Anwenderinnen und insofern auch viele, die zufällig auch andere Beschwerden haben – und schon gibt es bestätigte Hinweise darauf, dass mehrere Mirena-Anwenderinnen dieselben Beschwerden haben. Leider melden sich die nicht zu Wort, die keine Beschwerden haben und maximal von diesem Präparat bzgl. der hohen kontrazeptiven Sicherheit, der guten Blutungskontrolle und ggf. auch einer lokalen Wirkung auf eine Endometriose bzw. Dysmenorrhoe profitieren.
Ihr
Michael Ludwig
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