Wie ist das von der WHI berichtete Risiko für Mammakarzinome durch eine kombinierte HRT mit equinen Östrogenen und MPA einzuschätzen? Diese Frage drei Autoren einer Publikation in der Zeitschrift Menopause. (Bluming et al. ´Tis but a scratch: a critical review of the Women’s health initiative evidence associating menopausal hormone therapy with the risk of breast cancer. Menopause 2023; im Druck: DOI 10.1097/GME.0000000000002267)
Die drei Autoren gehen mit den Publikationen der WHI-Autoren-Gruppe über die letzten 20 Jahre hart ins Gericht und postulieren, dass die Evidenzlage keinen Anhalt für ein relevant erhöhtes Mammakarzinomrisiko durch die kombinierte HRT zulässt. Die Risiken seien nach Adjustierung für alle relevanten Hintergrundfaktoren nicht signifikant, v.a. sei das Risiko nicht erhöht gewesen für Frauen, die eine HRT ist im Rahmen der WHI-Studie initiiert hatten. Das Hauptproblem sei ein vergleichsweise niedriges Risiko in der Placebo-Gruppe gewesen, so dass die hazard ratio über die Maßen hoch gewesen sei. Selbst wenn aber die Daten stimmen würden, so müsse man mit 1 zusätzlichen Diagnose eines Mammakarzinoms unter der kombinierten HRT bei 1.000 Anwenderinnen rechnen, wobei die Mammakarzinom-Mortalität nicht erhöht gewesen sei.
Die Autoren argumentieren sehr schlüssig und analysieren die publizierten Daten im Detail. Aufgrund ihrer Überlegungen kritisieren sie scharf die Aussagen von Journalist:innen und der WHI-Autoren, dass man ein mehrfaches der Kosten für die WHI-Studie durch Senkung des langfristigen Mammakarzinomrisikos gespart habe, eben weil danach die Verschreibung der HRT signifikant zurückgegangen sei.
Sie greifen – einmal mehr – die Daten der One Million Women Study und der 2019 im Lancet publizierten Meta-Analyse an, die das Mammakarzinomrisiko bei kombinierter HRT erhärtet hatten. Sie führen aus, dass theoretische Überlegungen zur Wirkung von MPA wenig brächten, wenn man andererseits wüsste, dass MPA auch effektiv zur Therapie des Mammakarzinoms eingesetzt werden.
Letzteres ist insofern kritisch zu sehen, weil es sich dabei um die second- oder third-line Therapie mit hochdosiertem MPA (500 – 1.000 mg täglich) handelt. Grundsätzlich aber sind die Ausführungen der drei Autoren interessant, da sie – wie andere auch – ausführen, dass wir vermutlich das Mammakarzinomrisiko durch eine kombinierte HRT überschätzt haben. Sie zeigen an diesem speziellen Beispiel, dass Studien am Ende Vermutungen zeigen und in der Medizin vieles nicht bewiesen ist, wie man es aus Wissenschaften wie der Mathematik kennt – ein Punkt, den ich in meinem Buch „Sinnvolles tun – Unsinniges lassen“ aufgegriffen habe.
Kein Risiko also durch eine kombinierte HRT? Ich denke, dass man mit dieser Aussage vorsichtig sein sollte, dass es aber gerechtfertigt ist, das Risiko eher als niedriger einzuordnen – so dass ich auch meine eigene Meinung dazu anpassen muss!
Die „Einsparungen“ von Gesundheitskosten, die von journalistischer- und WHI-Seite gefeiert wurden, sind dann insofern auch kritisch zu sehen, weil durch das Weglassen einer hormonellen Substitution in Risikosituationen wie einer frühen Menopause oder einer prämaturen Ovarialinsuffizienz die bewiesenen (!) Vorteile für die Herz-Kreislauf-Gesundheit weggefallen sind, die gegenüber dem Mammakarzinomrisiko in keinem Verhältnis stehen.
Ihr
Michael Ludwig
Lieber Herr Ludwig,
Mein früherer Chef, Prof.Beller sagte einmal zum Brustkrebsrisiko der Pille, wenn seit vielen Jahren das Risiko in Studien, mal erhöht, mal nicht erhöht sei, dann könne es so wahnsinnig relevant nicht sein.
Ähnlich scheint es mir auch bei der HRT zu sein, wo ja auch die Rimkus – Mode und die E3N -Studie zu einer Bevorzugung von Estrogengel und Progesteron, bzw. Duphaston geführt haben wie es bei der E3M Studie zur Zeit aussieht, habe ich nicht gefunden. Und dann gibt es ja noch immer die Aussage, die Mammaca.Sterblichkeit sei unverändert, nur die Erkrankung trete früher auf.
Was mich auch bewegt, ist die Frage, was ist mit Estriil? Es wurde früher gegen Hitzewellen eingesetzt, dann kam die Osteoporosediskussion und es galt: E2 bis ins hohe Alter – es wurden vermiedenen Herztote gegen Mammaca.tote gerechnet. Jetzt sieht die Risikoabwägung wieder anders aus – je nach Startzeit. Könnte E3 nicht wieder gegen Hitzewellen gegeben werden ?
Vielen Dank für Ihre Arbeit hier und frohe Feiertage
Das mit dem Mammakarzinom ist eine immer wieder schwierige Datenlage, da haben Sie recht. Das Risiko ist signifikant, das ist relativ klar, aber in Absolutzahlen ist es eben sehr wenig, da gebe ich Prof. Beller Recht. Systemisches Östriol macht vermutlich da nichts – aber es ist auch nicht wirksam bzgl. der vasomotorischen Beschwerden. Insofern halte ich von einer systemischen Östriol-Anwendung nichts.