Eine bereits viel diskutierte Studie beschäftigt sich erneut mit dem Zusammenhang zwischen oralen Kontrazeptiva und Depressionen. In dieser Studie wurden Daten der UK Biobank ausgewertet, 205.860 Frauen, die jemals ein orales Kontrazeptivum eingenommen hatten, sowie 49.645 Frauen, die keines angewendet hatten, gingen in diese Auswertung ein. (T. Johansson et al. Population-based cohort study of oral contraceptive use and risk of depression. Epidemiology and Psychiatric Sciences 2023; 32, e39: 1–8.:  doi.org/10.1017/S2045796023000525) Zur Validierung ihrer Beobachtung führten die Autor:innen eine Subanalyse für 7.354 Geschwisterpaare durch, um die Kausalität zu prüfen.

Die ersten 2 Jahre der Anwendung eines oralen Kontrazeptivums waren assoziiert mit einer höheren Rate an Depressionen (HR 1,71, 95% KI 1,55 – 1,88). Nach 2 Jahren blieb das Lebenszeitrisiko dauerhaft gering erhöht (HR 1,05, 95% KI 1,01 – 1,09). Jüngere Anwenderinnen hatten ein höheres Risiko als Ältere.

Diese Studie reiht sich ein in andere Berichte, die bereits 2016 auf diesen Zusammenhang hingewiesen hatten. (C. W. Skovlund et al. Association of hormonal contraception with depression. JAMA Psychiatry 2016; 73: 1154–1162) Die schwedische Forschergruppe der aktuellen Publikation weist auch darauf hin, dass die meisten Anwenderinnen keine Probleme bzgl. Depressionen entwickeln, dass insofern kombinierte Kontrazeptiva eine gute Option für viele Frauen sind.

Ich kann die Stellungnahme des BVF zu dieser Publikation nur unterstreichen, dass wir als Verschreibende einen Fokus auch auf diese Problematik legen müssen und im Zweifelsfall, bei neu aufgetretenen Beschwerden, einen Auslassversuch unternehmen müssen (https://www.bvf.de/aktuelles/gbcog-mitteilungen/meldung/zusammen…-einnahme-der-kombinationspille-und-erhoehtem-depressionsrisiko/). Die Annahme der Autoren dieser Stellungnahme, dass neuere Gestagene, jenseits der sog. „2. Generation“ und ggf. andere Östrogene (Östradiol, Östradiolvalerat, Estetrol) anstelle von Ethinylöstradiol dieses Risiko weniger beeinflussen, ist allerdings spekulativ.

Zudem halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass ein gewisser Prozentsatz derjenigen, die nach der Initiierung von hormonellen Kontrazeptiva eine Depression entwickeln, zum Zeitpunkt der Verschreibung bereits eine Symptomatik hatten, zum „hormonellen Ausgleich“ ein hormonelles Kontrazpetivum erhalten und dann im Verlauf der folgenden Monate mit einer Depression klinisch auffällig werden. Auch das ist Spekulation und durch Daten bislang nicht beweisbar.

Ihr

Michael Ludwig