Sind bei der Beurteilung habitueller Aborte nur solche relevant, die histologisch nachweisbar oder sonographisch sichtbar waren oder spielen auch solche eine Rolle, die nur durch einen positiven Schwangerschaftstest aufgefallen waren?

Eine retrospektive Studie aus dem British Columbia Women’s Hospital & Health Centre

in Vancouver, Kanada, ist dieser Frage nachgegangen. (Mohamed A. Bedaiwy et al. Prevalence, causes, and impact of non-visualized pregnancy losses in a recurrent pregnancy loss population. Human Reproduction, im Druck: doi.org/10.1093/humrep/dead040)

1859 Frauen konnten aus dieser Spezialklinik für habituelle Aborte eingeschlossen werden (Januar 2012 – März 2021). Diese hatten insgesamt 5.145 Aborte erlebt, davon 2.889 „sichtbare“ und 2.256 nicht-sichtbare. 85% der Frauen hatten 2-3 Aborte erlebt, weitere 9,5% 4 Aborte, die restlichen etwa 6% 5 oder mehr Aborte.

Bei den etablierten Risikofaktoren für habituelle Aborte – Chromosomenstörung der Eltern, Antiphospholipidsyndrom der Mutter, organische Auffälligkeiten – gab es keine relevanten Unterschiede bei Betrachtung derjenigen, die nur sichtbare, nur nicht-sichtbare oder eben einen Mix solcher Aborte aufwiesen. Die Autoren sehen zwar eine marginale Signifikanz bei organischen Pathologien, diese sind jedoch nur gering (23,7%, 16,8%, 20,7%; p = 0,05). Die Wahrscheinlichkeit einer mütterlichen Chromosomenaberration lag in den drei Gruppen bei 1,4%, 2,2% bzw. 2,1%, die von väterlichen bei 0,7%, 1,8% bzw. 0,8%. Die Wahrscheinlichkeit für den Nachweis eines Antiphospholipidsyndroms wird mit 3,2%, 4,4% bzw. 3,7% angegeben.

Jeder sichtbare oder nicht-sichtbare Abort reduzierte die Wahrscheinlichkeit einer weiterlaufenden späteren Schwangerschaft nach Abklärung in der Klinik um 23-25% (nicht-sichtbarer Abort OR 0,77, 95% KI 0,68 – 0,88 und sichtbarer Abort OR 0,75, 95% KI 0,64 – 0,86).

Andere Studien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit weiterer Aborte ab einer gewissen Abortanzahl asymptotisch verläuft und bei etwa 50% stehen bleibt – auch bei 5 oder mehr Aborten. Dass dies hier nicht so sichtbar ist mag daran liegen, dass nur der kleinste Teil der Frauen 5 oder mehr Aborte aufwies. Relevant aber ist, dass unabhängig davon, ob eine Schwangerschaft sonographisch sichtbar bzw. histologisch nachweisbar war oder nur biochemisch aufgefallen ist, dieser Abort bei der Zählung für die Diagnose habitueller Aborte relevant ist.

Ihr

Michael Ludwig