Ein lesenswerter Beitrag in der Zeitschrift Human Reproduction beschäftigt sich mit der Beobachtung, dass die total fertility rate (TFR), definiert als die Zahl von Kindern, die eine Frau gebärt, weltweit zurückgeht und in 183 von 195 Ländern unter die sogenannte replacement rate fällt, die Zahl 2,1, die notwendig ist, um die Weltpopulation auf demselben Stand zu halten (R. John Aitken. The changing tide of human fertility. Human Reproduction, im Druck, https://orcid.org/0000-0002-9152-156X).

Der Autor analysiert mögliche Faktoren für diese Beobachtung. Unter anderem stellt er klar, dass die lange gepflegte Theorie von Thomas Malthus aus dem Jahr 1978 oder Paul Ehrlich aus dem Jahr 1968, dass die Bevölkerungsentwicklung direkt abhängig ist von der Verfügbarkeit einer Ernährung, nicht mehr stimmen kann. Der Autor sieht eher soziale Faktoren und den Faktor Bildungsstand als relevant an. Die Frage einer ggf. auch sinkenden Fruchtbarkeit von Paaren ist ein viel diskutiertes und bis heute nicht eindeutig geklärtes Thema.

Allerdings gilt für die Zukunft zu berücksichtigen, dass high fertility genotypes – genetisch bedingt gute Fruchtbarkeit – einem geringeren Selektionsdruck unterliegt, da zunehmend mehr Kinder durch eine Form der assistierten Reproduktion gezeugt werden. Dieses Szenario ist fragwürdig, so lange nur wenige Kinder durch eine assistierte Reproduktion gezeugt werden. Wenn es allerdings ein zunehmender Anteil ist, wird das Szenario wahrscheinlicher und die Bedeutung relevanter. So werden, wie der Autor Zahlen zitiert, in Dänemark bereits etwa 10% der Neugeborenen infolge einer assistierten Reproduktion gesehen. Insofern wird, so spekuliert der Autor nachvollziehbar, die Prävalenz für die Fertilität ungünstiger Genotypen zunehmen, wie z.B. auch Deletionen im Azoospermiefaktor (AZF) oder veränderte Methylierungsmuster.

Eine interessante Überlegung, die der Autor entwickelt. Dabei ist ihm auch klar, wie er in seiner Schlußfolgerung resümiert, dass dies nicht ein Prozess weniger Jahre ist. Dennoch sei es im Rahmen der Evoluation ein zeitlich überschaubarer Prozess, den man im Blickpunkt behalten müsse.

Ihr

Michael Ludwig