In der Betreuung von Patientinnen mit Endometriose und Kinderwunsch geraten Behandler:innen regelmäßig in einen Zielkonflikt: Die medikamentöse Langzeittherapie – heute Standard zur Rezidivprophylaxe – ist mit einer Schwangerschaft nicht vereinbar. Doch das Aussetzen hormoneller Therapie, sei es für einen Spontanversuch oder eine IVF, wirft die Frage auf: Wie groß ist das Risiko, dass die Erkrankung in dieser Phase der therapeutischen „Lücke“ wieder aufflammt?
Eine aktuelle Übersichtsarbeit liefert hierzu differenzierte Antworten. (Edgardo Somigliana et al. Risk of endometriosis progression in infertile women trying to conceive naturally or using IVF. Human Reproduction 2025: doi:10.1093/humrep/deaf090)
Zunächst einmal ist klar: Hormontherapien wirken symptomatisch, aber nicht kurativ – ihre Effekte verschwinden rasch nach Absetzen. Während der Versuch einer natürlichen Konzeption in der Regel mit einem einjährigen Therapie-Stopp einhergeht, ist auch bei IVF die Situation keineswegs „sicher“. Zwar lässt sich das Zeitfenster kontrollieren, doch auch hier kommt es zu einer Phase ohne hormonelle Suppression – insbesondere während Stimulation, Embryotransfer oder Schwangerschaftseintritt.
In Bezug auf das Risiko der Progression oder eines Rezidivs ergibt sich folgendes Bild: Sowohl bei IVF als auch beim Spontanversuch liegt das jährliche Risiko für ein klinisch relevantes Wiederauftreten oder Fortschreiten der Erkrankung bei etwa 10 % – unabhängig davon, ob es sich um ein sichtbares Rezidiv im Ultraschall oder ein Wiederauftreten von Schmerzen handelt. Für Endometriome zeigte eine Kohortenstudie ein Größenwachstum bei 23 % der Läsionen innerhalb von 21 Monaten. Für tiefe infiltrierende Endometriose wird eine Progressionsrate von ebenfalls etwa 10 % pro Jahr zitiert.
Interessant ist die Frage, ob IVF im Vergleich zur natürlichen Konzeption per se mit einem höheren Progressionsrisiko einhergeht. Die Datenlage hierzu ist überschaubar. Meist scheint die IVF wenig Einfluss zu nehmen. Wenn die Endometriose nicht ausreichend vortherapiert ist, eine nicht-operierte Darmendometriose z.B., kann es zum Progress mit nowendiger Operation kommen.
Fazit: Für Frauen mit Endometriose ist die Phase des Kinderwunschs ein gewisser Balanceakt. Das Risiko einer Progression liegt bei etwa 10 % pro Jahr – sowohl bei IVF als auch bei einem Spontanversuch. Ein erhöhtes Risiko durch IVF scheint nur in ausgewählten Hochrisikogruppen mit tiefer, nicht operierter Endometriose zu bestehen.
Ihr
Michael Ludwig
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