Wie wirken sich Östrogene auf die Gedächtnisleistung aus? Dies wurde in einer experimentellen Arbeit bei 199 postmenopausalen Frauen im mittleren Alter 59,3 ± 3,9 Jahren mittels Messung der Hirnaktivität (fMRT, funktionelles MRT) bei Wortlern- und Wiedererkennungsaufgaben untersucht. (Rachel A. Schroeder et al. Endogenous Estrogens and Brain Activation During Verbal Memory Encoding and Recognition in the Postmenopause. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2025; 110: 452 – 461)

Die Östradiolwerte wurden mittels hochpräziser LC-MS-Methode gemessen, um die postmenopausalen Werte möglichst genau erfassen zu können. Eine laufende HRT war ein Ausschlusskriterium für die Teilnahme an der Studie. Die Östradiolwerte lagen bei 0,17 – 38,0 pg/ml, die Östronwerte bei 9,0 – 99,0 pg/ml mit einem Median von 3,0 (IQR 2 – 5) bzw. 29,0 (IQR 22 – 42). Der mittlere BMI betrug 28,16 ± 6,03 kg/m2. 13 Frauen, 6,5 %, hatten in der Vergangenheit eine HRT angewendet.

Höhere Östradiol-Spiegel korrelierten mit erhöhter Aktivierung in der linken inferioren und mittleren frontalen Hirnrinde sowie in den Temporallappen während der Wortlernaktionen. Aktivität in der linken inferioren frontalen Hirnrinde war signifikant mit besseren Gedächtnisleistungen und geringeren Angstwerten assoziiert. Während der Wiedererkennung war eine Region (rechter superiorer Frontallappen) negativ mit Östradiol korreliert.

Anders als Östradiol zeigte Östron keinen direkten Zusammenhang mit Gedächtnisleistungen, sondern eher mit Stimmungszuständen, insbesondere bei Depression und Angst.

Östrogene haben insofern einen nachweislichen Effekt auf die Gedächtnisleistung und die Modulation von Stimmungszuständen. Das ist interessanterweise auch nachweisbar bei den postmenopausal extrem niedrigen, in konventionellen Assays nicht differenzierbaren Östradiolwerten.

Was bedeutet das für die Praxis? Prospektive, randomisierte Studien konnten bislang nicht belegen, dass durch eine HRT die Gedächtnisleistung verbessert wird. Insofern ist es fragwürdig, diese Ergebnisse zu übertragen auf die HRT nach dem Motto, wenn man die postmenopausalen Östradiolspiegel von – im konventionellen Assay gemessen – unter 10 pg/ml auf 40-50 pg/ml oder sogar höher anhebt, wird die Gedächtnisleistung besser. Genauso ist es möglich, dass es gerade die niedrigen Östradiolspiegel sind, die gerade noch einen Benefit zeigen, wenn Östradiol marginal nachweisbar ist, dass aber höhere Östradiolspiegel einen Schaden bedeuten könnten. So ist die Diskussion bzgl. eines möglichen Demenzrisikos durch eine auch früh begonnene HRT nach wie vor Gegenstand der Diskussion.

Interessant aber sind die Daten definitiv und sie belegen, dass es einen belegbaren Einfluss v.a. von Östradiol auf die Gedächtnisleistung gibt. Wie wir das zukünftig in praxi umsetzen und nutzen können, bleibt allerdings unklar.

Ihr

Michael Ludwig