Eine longitudinale Studie aus China hat sich mit der Frage beschäftigt, ob eine subklinische Hypothyreose (TSH > Referenzbereich, unauffällige periphere Schilddrüsenhormonwerte) mit einer auffälligen Entwicklung der Kinder post partum einhergeht. (Haofeng Wang et al. Effect of Thyroid Function on Offspring Neurodevelopment in People Receiving ART Therapy: A Prospective Cohort Study. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2024; 109: e2075-e2083)
Eingeschlossen waren 729 Frauen zwischen 2015 und 2020, die im Rahmen einer assistierten Reproduktion schwanger wurden und eine Lebendgeburt hatten.
630 Frauen waren euthyroid, 88 zeigten das Bild einer subklinischen Hypothyreose, 75% der Letzteren waren nicht mit Schilddrüsenhormonen supplementiert. Das mittlere TSH lag bei 5,27 ± 1,23 mIE/l, 9,1 % hatten positive TPOAK. Die Kinder wurden im mittleren Alter von 367,41 ± 7,33 Tagen mit einem standardisierten Test bzgl. ihrer neurologischen Entwicklung gescreent.
Das Ergebnis zeigte bei Mädchen, nicht bei Jungen, signifikant niedrigere Entwicklungsscores bei Vorliegen einer unbehandelten subklinischen Hypothyreose.
Zu Recht und nachvollziehbar verweisen die Autor:innen darauf, dass Frauen mit einer subklinischen Hypothyreose in der Schwangerschaft supplementiert werden sollten.
Zeitgleich erscheint in derselben Zeitschrift eine umfangreiche Analyse, die Daten aus 18 Kohorten eingeschlossen hat mit der Frage, wie man aus dem Nicht-Schwangeren-Referenzbereich auf einen Zielbereich in der Schwangerschaft rückschliessen könnte. (Joris A. J. Osinga et al. Defining Gestational Thyroid Dysfunction Through Modified Nonpregnancy Reference Intervals: An Individual Participant Meta-analysis. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2024; 109: e2151-e2158)
Die Meta-Analyse umfasst 52.496 Schwangere weltweit. Getestet wurde der Ansatz einer relativen Modifikation (also einer prozentualen Abweichung), einer absoluten Modifikation (also einer fixen Reduktion des Referenzbereichs) bzw. fester Grenzwerte.
Ideal, so die Autor:innen in ihrer Schlussfolgerung, ist die laborspezifische Festlegung von schwangerschafts-spezifischen Referenzbereichen. Möglich sind allerdings auch die angedachten Modifikationen, wobei dann eine Reduktion des TSH um 20% ein guter Ansatz ist.
Beide Studienergebnisse ändern nichts an meiner aktuellen Einschätzung bzw. bestätigen das aktuelle Vorgehen. Denn es bedeutet nicht (!), dass wir die TSH-Grenzen wieder restriktiver ziehen und bereits bei einem TSH von > 2,5 mIE/l eine Supplementierung initiieren sollten. Sicherheitshalber sollte man in der Frühgravidität ein TSH von 3,5 mIE/l als obere Grenze wählen, was in etwa der Reduktion um 20% entsprechen wird (je nach Assay). Im 2. und 3. Trimenon ist ein TSH im nicht-schwangeren Referenzbereich unauffällig.
Ihr
Michael Ludwig
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