Bisherige Daten lassen keinen Zusammenhang zwischen der Höhe des AMH und dem Erreichen einer Schwangerschaft bei fehlenden Hinweisen auf eine Subfertilität erkennen. Eine weitere Untersuchung, die bislang größte prospektive Studie, hat sich dieser Frage angenommen. (Scott M. Nelson et al. Anti-Müllerian hormone levels are associated with time to pregnancy in a prospective cohort study of 3,150 women. Fertility & Sterility 2024; im Druck: doi.org/10.1016/j.fertnstert.2024.06.024)
3.150 Frauen, die weniger als 3 Monate bislang versucht hatten, eine Schwangerschaft zu erzielen, waren eingeschlossen. Der Einschluss erfolgte über die Firma „Modern Fertility“, die einen Test-Kit für Anwenderinnen anbietet, mit dem Hormone eingeschickt werden können. Zudem bietet die Firma eine Zyklus-App an, deren Verwendung ebenfalls Einschlusskriterium war. Sämtliche Daten wurden von den Anwenderinnen selbst erhoben und berichtet. Die Daten wurden adjustiert bzgl. BMI, Parität, Rauchen und PCO-Syndrom. Als reguläre Zyklen wurden solche mit 21-35 Tagen definiert.
1.325 Frauen (42,1%) wurden innerhalb von 12 Monaten schwanger, allerdings wurden nicht alle Frauen über 12 Monate verfolgt, im Mittel wurden 7,21 ± 5,32 Zyklen erfasst. Die kumulierte Schwangerschaftsrate betrug nach 12 Monaten bei den z.B. 35 – < 38jährigen mit einem niedrigen (< 1 ng/ml), normalen (1 – 5,5 ng/ml) und hohen AMH (> 5,5 ng/ml) 0,48 (95% KI 0,38 – 0,59), 0,57 (0,47 – 0,67) und 0,63 (0,50 – 0,76). Die Analyse zeigte eine geringere Schwangerschaftschance bei niedrigem AMH (< 1 ng/ml) im Vergleich zu einem normalen AMH (1 – 5,5 ng/ml) (aHR 0,77, 95% KI 0,64 – 0,94). Wenn AMH als kontinuierlicher Marker eingesetzt und analysiert wurde, zeigte sich ebenfalls ein Zusammenhang mit einer niedrigeren Schwangerschaftsrate bei einem AMH < 1 ng/ml (aHR 0,90, 95% KI 0,85 – 0,90). Anderes gerechnet verlängert, so die Autor:innen, ein niedriges AMH die Wahrscheinlichkeit, zu konzipieren, um etwa 20%.
Die Daten sind etwas überraschend aber bei näherer Betrachtung nicht unbedingt relevant für eine neue Einschätzung dieses Messwertes. Anders als frühere Studien betrachtet diese ein sehr spezielles Kollektiv, das sich selbst um eine Diagnostik frühzeitig bemühte. Dies weist auf einen gewissen Selektionsbias hin, was sozio-ökonomische Punkte aber auch anamnestische Risikofaktoren betrifft. Einerseits musste die Diagnostik selbst bezahlt werden, andererseits mögen anamnestische Gründe dazu geführt haben, diese Diagnostik durchzuführen. Ebenso mögen Lebensstilfaktoren eine Rolle spielen. Die Datenerhebung über die Patientinnen ohne Möglichkeit, diese zu validieren, ist ein weiterer relevanter Schwachpunkt. Auffällig ist zudem die relativ niedrige kumulierte Schwangerschaftsrate von unter 50% nach 12 Monaten. In einer fertilen Kohorte würde man nach 12 Monaten eher 70-80% erwarten. Die Auswertung nach „relgulären Zyklen von 21-35 Tagen“ ist zudem weit gefasst, inkludiert Frauen mit einer Polymenorrhoe und im Zweifelsfall auch welche mit sehr unregelmäßigen Zyklen, also einer starken Schwankungsbreite der Zykluslängen.
Desweiteren ist es so, dass das Ergebnis zwar eine gewisse Assoziation zwischen der Chance zu konzipieren und dem AMH-Wert zeigt, eine Verlängerung der Konzeptionszeit um 20% aber auch große Relevanz haben dürfte. Nimmt man an, dass 10 Monate Zeit bis zur Konzeption vergehen, so sind 12 Monate keine relevant wahrnehmbare Differenz.
Ich sehe in dieser Studie einen weiteren wichtigen Beitrag zur Bewertung des AMH. Sie ändert jedoch nichts an meiner Sichtweise auf die Bewertung des Faktors als „Fertilitätsmarker“, wie ich es auch meinem E-Book „Gynäkologische Endokrinologie Spezial: Anti-Müller-Hormon“ ausgeführt habe. Ich kann auch aufgrund dieser Studie nicht empfehlen, AMH als Fertilitätsmarker bei einer Frau ohne anamnestische Hinweise auf eine Subfertilität und einer Eumenorrhoe empfehlen.
Ihr
Michael Ludwig
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