Ist eine langfristige HRT assoziiert mit einer besseren Gesundheit? Diese Frage wurde in einer Datenbankanalyse von 10.944.328 Frauen im Alter von 65 Jahren oder höher angegangen. Auswertet wurden Daten zwischen 2007 und 2020. (Seo H. Baik et al. Use of menopausal hormone therapy beyond age 65 years and its effects on women’s health outcomes by types, routes, and doses. Menopause 2024; im Druck: DOI: 10.1097/GME.0000000000002335)
Wieder einmal, dass muss man sich vergegenwärtigen, geht es in dieser Analyse um Assoziationen – nicht um eine kausale Beziehung zwischen hormoneller Therapie und einem Outcome, das kann eine solche Datenbankanalyse nicht leisten.
Beschrieben wird für die Östrogen-Mono-Therapie ein reduziertes Mortalitätsrisiko (aHR 0,81, 95% KI 0,79 – 0,82), ein reduziertes Risiko für Mammakarzinome, Bronchialarzinome, kolorektale Karziome, venöse Thrombo-Embolien, Myokardinfarkte und Demenz. Bzgl. der kombinierten Therapie zeigt sich ein erhöhtes Mammakarzinom-Risiko bei niedrigerem Endometrium- und Ovarialkarzinom-Risiko. Ebenso niedriger war das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und insbesondere venöse Thrombo-Embolien.
Nun sieht man, wenn man die Daten in dem Artikel genauer ansieht, dass allerdings der Großteil der Östrogen-Mono-Therapie vaginal erfolgte, nicht systemisch (ca. 3,8% vs. 2%). In einer Tabelle zeigt sich eine Assoziation der vaginalen Östrogentherapie mit der Mortalität (aHR 1,26, 95% KI 1,12 – 1,41), dem Risiko für Endometriumkarzinome (aHR 0,68, 95% KI 0,57 – 0,82) und Ovarialkarzinomen (aHR 0,65, 95% KI 0,49 – 0,86). Interessant ist auch die Beobachtung, dass die orale kombinierte Therapie (aHR 0,95, 95% KI 0,92 – 0,98) nicht aber die transdermale (aHR 0,94, 95% KI 0,83 – 1,07) das Risiko für venöse Thrombo-Embolien senkte – bzw. mit einer Senkung assoziiert war. Eine Östrogen-Mono-Therapie vaginal war ebenfalls mit einer Risikosenkung für Thrombo-Emblien assoziiert (aHR 0,96, 95% KI 0,93 – 0,99), ebenso mit einer substantiellen Senkung des Risikos für einen Myokardinfarkt (aHR 0,83, 95% KI 0,77 – 0,89).
Ein relevantes Ergebnis ist auch, dass die Rate an Frauen jenseits 65 Jahren, die eine hormonelle Therapie anwendeten, von 11,4% auf 5,5% von 2007 bis 2020 sank.
Gerade die Daten zur vaginalen Östrogentherapie sind absolut unplausibel, da bei korrekter niedriger Dosierung dieser Präparate keine systemische Auswirkung erwartet werden muss. Unplausibel ist auch das geringere Thrombo-Embolie-Risiko bei einer oralen Östrogentherapie.
Was lassen die Daten in dieser Publikation vermuten? Meiner Meinung nach v.a. einen Selektionsbias, den healthy-user-effect, der schon seit Jahrzehnten bekannt ist und nur durch prospektive, randomisierte Studien umgangen werden kann. Man kann aus diesen Daten nicht lernen, dass eine HRT jenseits 65 Jahren einen gesundheitlichen Vorteil hat.
Bin ich gegen die Weiterführung einer HRT jenseits 65 Jahren in jedem Fall? Sicherlich bin ich das nicht. Wenn Symptome bestehen, vasomotorische Beschwerden, die bei einem Auslassversuch persistieren, wenn zudem kein gesundheitliches Risiko vorliegt, v.a. kein kardiovaskuläres, dann sollte die Therapie fortgeführt werden.
In einer aktuellen Stellungnahme der nordamerikanischen Menopausengesellschaft wird denn auch festgestellt, dass es keine generelle Regel gibt, eine HRT im Alter von 65 Jahren zu beenden. (The 2022 Hormone Therapy Position Statement of The North American Menopause Society” Advisory Panel. The 2022 hormone therapy position statement of The North American Menopause Society. Menopause 2022; 29:767-794. doi: 10.1097/GME.0000000000002028)
Eine Weiterführung der HRT jenseits 65 Jahren aber als grundsätzlichen gesundheitlichen Benefit zu sehen, ist anhand dieser Daten nicht möglich.
Ihr
Michael Ludwig
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