An anderer Stelle in diesem Blog habe ich schon mal über das Problem einer gestörten Impulskontrolle oder Impulskontrollstörung (englisch: impulse control disorder, ICD) unter dem Einfluss von Dopaminagonisten zur Hyperprolaktinämie bzw. Prolaktinomtherapie geschrieben. (https://optimist-verlag.de/blog/2019/08/20/nebenwirkung-von-dopaminagonisten/)
Zu dem Krankheitsbild gehören pathologisches Glücksspiel, zwanghaftes Sexualverhalten, zwanghaftes Kaufen und Essattacken.
Eine Arbeitsgruppe aus der Türkei ist nun anhand von 72 Patientinnen und Patienten unter Therapie mit dem Dopaminagonisten Cabergolin der Frage nachgegangen, ob es eine genetische Disposition für diese Pathologie gibt. Für 20 dieser Therapierten – 27% – bestand die Diagnose einer ICD. Die Rate ist relativ hoch, sie wird normalerweise auf 10-15% geschätzt. (Serdar Sahin et al. A Genetic Assessment of Dopamine Agonist-Induced Impulse Control Disorder in Patients With Prolactinoma. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2023; 108: e275 – e282)
Grundlegender Auslöser des Studienansatzes war, dass 60% einer Spielsucht oder Substanzmissbrauchs genetisch determiniert ist.
Die mediane Cabergolindosis pro Woche (0,51 mg, IQR 0,43 – 1,76 vs. 0,58 mg, IQR 0,37 – 1,63), die mediane kumulative Cabergolindosis (133,7 mg, IQR 0,53 – 362,0 vs. 122,6 mg, IQR 76,7 – 216,1) war zwischen der Gruppe mit und ohne ICD nicht signifikant unterschiedlich. Allerdings waren Patient:innen mit ICD signifiant jünger (36,1 ± 9,0 Jahre vs. 45,5 ± 10,9 Jahre, p = 0,001).
Die genetische Analyse zeigt einen Zusammenhang für das Risiko einer ICD mit Polymorphismen in Genen aus dem Dopamin-, Serotonin, Opioid- und Glutamatstoffwechsel, wobei die odds ratio für diese Polymorphismen zwischen 2,9 und 22,27 liegt und insofern von einem sehr relevanten Zusammenhang ausgegangen werden kann.
Vor allem sollte diese Publikation dafür sensibilisieren, dass ein ICD keine seltene Komplikation unter einer normal-dosierten Therapie mit Dopaminagonisten, wie sie auch bei unseren gynäkologischen Patientinnen üblich ist, sein kann.
Ihr
Michael Ludwig
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