Kisspeptine kennt man aus dem Hypothalamus als relevante Polypeptide, die die GnRH-Sekretion regulieren. Darüber hinaus werden sie in peripheren Organen produziert – ein aktueller Review beschäftigt sich mit der Rolle von Kisspeptinen und dem entsprechenden Rezeptor im Endometrium. (Jieyu Zhang et al. Physiological and pathological roles of locally expressed kisspeptin and KISS1R in the endometrium. Human Reproduction 2023, im Druck: doi.org/10.1093/humrep/dead080)

Das primäre Produkt des KISS1 Gens ist Kisspeptin-145, das instabil ist und keine eigene Aktivität hat. Dies wird durch Proteolyse in kleinere Peptide katalysiert – Kisspeptin-54, -15-, 14 oder -10 – die alle denselben Rezeptor binden und aktivieren (KISS1R).

In peripheren Organen hemmt Kisspeptin Migration und Invasion von Zellen, ist insofern ein Suppressor der Tumor-Metastasierung. Ein Mangel von Kisspeptin bzw. seinem Rezeptor im Endometrium wird insofern als relevant diskutiert im Zusammenhang mit einer Endometriumhyperplasie oder Endometriumkarzinomen sowie Endometriose und ggf. auch habituellen Aborten. Vermittelt wird dies – vermutlich – über eine Hemmung der Matrix-Metalloproteinase 9 und des VEGF, was zu einer Hemmung von Invasion und Angiogenese führt.

Kisspeptine sind offensichtlich relevant an der regelrechten Implantation beteiligt – Mäuse ohne Kisspeptin-Gen können Follikel bilden, haben Eizellen, können ovulieren, Embryonen aber können nicht implantieren. Der vermittelnde Mechanismus mag, so wird spekuliert, eine zunehmende Expression von LIF, leukemia inhibiting factor, unter der Kisspeptin-Wirkung sein.

Eine reduzierte Expression von Kisspeptin ist offenbar relevanter pathogenetischer Faktor in verschiedenen Karzinomen: Magenzellkarzinomen, Colonkarzinomen, Pankreaskarzinomen.

Kisspeptin ist insofern ein großartiges Beispiel dafür, dass dieselbe Substanz mit demselben Rezeptor in unterschiedlichen Geweben komplett unterschiedliche Aufgaben erfüllt.

Ihr

Michael Ludwig