Orales Progesteron verbessert die Schlafqualität – das ist bekannt und wird nunmehr durch eine Meta-Analyse bestätigt. Interessanterweise wurde diese Frage bislang nur in 10 prospektiven, randomisierten Studien untersucht, in 8 davon wurden postmenopausale Frauen untersucht, in einer perimenopausale Frauen und in einer Männer. Insgesamt wurden 577 Teilnehmerinnen und Teilnehmer eingeschlossen, die Progesterondosis betrug 100 bis 300 mg oral, wobei die Dosen von 200-300 mg relevant effektiv waren (Brendan J. Nolan et al. Efficacy of Micronized Progesterone for Sleep: A Systematic Review and Meta-analysis of Randomized Controlled Trial Data. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2021; 106: 942 – 951).

Die Ergebnisse der Studien waren nicht homogen – insgesamt gesehen ließ sich aber ableiten, dass die Latenzzeit zum Einschlafen kürzer war, die Schlafzeit länger und v.a. die subjektiv empfunden Schlafqualität sich verbesserte. Teils allerdings wurde in den Studien auch Östradiol in Form einer kombinierten Hormontherapie angewendet, so dass die Ergebnisse insofern nur bedingt auswertbar waren.

Alles interessant, tatsächlich nicht neu oder überraschend. Allerdings möchte ich in dem Zusammenhang noch einmal vergegenwärtigen, warum eigentlich Progesteron diesen nicht-hormonellen Effekt hat. Es ist nicht Progesteron, es sind Progesteron-Metabolite, insbesondere Allopregnanolon, das zentralnervös diese Wirkung hat. Allopregnanolon wirkt als allosterischer Modulator, d.h. als eine Substanz, die an ein Rezeptormolekül außerhalb (allosterisch) der Rezeptorbindungsstelle bindet, und so die Wirkung eines Agonisten an diesem Rezeptor (der bindet genau dort, also orthosterisch) verändert. So gibt es allosterische Modulatoren, die die Wirkung verstärken (positive Allosterie) und solche, die die Wirkung abschwächen (negative Allosterie). Allopregnanolon nun ist ein allosterischer Modulator, der die Aktivität des GABA-A-Rezeptors erhöht. Damit wirkt Allopregnanolon exakt so wie Benzodiazepine, die ebenfalls im Sinne einer positiven Allosterie als allosterischer Modulator am GABA-A-Rezeptor wirken.

 

Dieser Wirkungsmechanismus ist interessant und relevant. Er bedeutet bei aller Favorisierung einer bioidentischen Hormontherapie, dass die Wirkung dieser Hormone bei bestimmter Anwendung – wie oraler Anwendung von Progesteron – zu außergewöhnlichen Wirkungen führt, in diesem Fall zur Wirkung wie die eines Benzodiazepins. Diese Wirkung tritt aufgrund desselben Mechanismus – Bildung von Allopregnanolon – auch bei Anwendung von MPA und Dydrogesteron auf, vermutlich in geringerem Maße, die Datenlage dazu ist dünn.

Nun müssen wir das nicht allen Patientinnen erläutern – aber es muss uns selbst bewusst sein, dass auch orales Progesteron eine potente pharmakologische Substanz ist und dass der positive Schlafeffekt eben nicht die typische hormonelle Wirkung ist sondern einen pharmakologisch anderen Hintergrund hat.

Ihr

Michael Ludwig