Was wären wir ohne die Schilddrüse – zumindest wären Diskussionen und potentielle Therapieansätze und die Diagnostik um ein Erhebliches ärmer. Auch in meinem Blog hätte ich weniger zu schreiben.

Eine Auswertung von Daten aus England ist der Frage nachgegangen, wie hoch die Prävalenz  von Schilddrüsenfunktionsstörungen oder auffälligen Messwerten ist (Rima K. Dhillon-Smith et al. The Prevalence of Thyroid Dysfunction and Autoimmunity in Women With History of Miscarriage or Subfertility. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, im Druck). 49 Krankenhäuser haben Daten von November 2011 bis Januar 2016 dazu beigesteuert (Thyroid AntiBodies and LEvoThyroxine [TABLET] trial). Eingang fanden Frauen zwischen 16 und 41 Jahren mit einer Vorgeschichte von Fehlgeburten oder einer Subfertilität (definiert als jede Frau, die sich wegen eines Kinderwunsches in einer Spezialpraxis vorstellte, unabhängig von der Dauer des Kinderwunsches). 19.350 Frauen waren mit der Teilnahme einverstanden, Hormonwerte lagen von 19.213 Frauen vor, die TPO-Antikörper von 19.237 Frauen.

Eine Euthyreose war definiert als ein TSH zwischen 0,44 und 4,5 mIE/l und ein fT4 zwischen 10 und 21 pmol/l. Irgendeine Abweichung fand sich in 4,8%. Eine manifeste Hypothyreose bestand in 0,2%, eine manifeste Hyperthyreose in 0,3%. Die Wahrscheinlichkeit einer subklinischen Hypothyreose wird mit 2,4% angegeben. Die Wahrscheinlichkeit eines TSH über 2,5 mIE/l lag bei 19,9%.

Die Autoren gehen in ihrer Diskussion darauf ein, dass ein Absenken des TSH-Wertes für die Indikationsstellung einer Substitution eine substantielle Zahl von Frauen betrifft und halten dies wegen der nach wie vor unklaren Datenlage, was einen Benefit der Substitution angeht, für nicht gerechtfertigt. So fordern sie prospektive randomisierte Studien in ausreichender Größe, um die Frage weiter zu klären. Dies halten sie für wichtig, weil im Zweifelsfall die Behandlung von Frauen mit einem TSH zwischen 2,5 und 4,0 mIE/l ein höheres Risiko für den Schwangerschaftsverlauf bedeuten könnte v.a. wenn zu hoch substituiert wird – die Frage also unbeantwortet ist, ob die Risiko-Nutzen-Relation zugunsten des Nutzen besteht. Vor kurzem hatte ich auch eine Studie berichtet, die den langfristigen Nachteil einer L-Thyroxin-Überdosierung in der Schwangerschaft für die postpartale Entwicklung der Kinder gezeigt hatte.

Meine klinische Empfehlung wird durch die Daten untermauert: Wenn man auf das TSH screent ist es nicht von Nachteil, mit einer vernünftig niedrigen Dosis von L-Thyroxin (meist sind 50 µg L-Thyroxin ausreichend), das TSH zu senken, wenn es zwischen 2,5 mIE/l und dem oberen laborspezifischen Referenzbereich liegt. Eine Absenkung in den unteren Referenzbereich (um 1,0 mIE/l) wie früher gefordert ist heute obsolet. Wenn mit L-Thyroxin substituiert wird sollte das TSH zumindest einmal im Trimenon kontrolliert werden, um die Dosierung anzupassen, im Zweifelsfall zu senken oder das Präparat wieder abzusetzen. Zudem könnte man überlegen in Grenzbereichen, wenn also das TSH um 2,5 mIE/l liegt, die TPO-AK zusätzlich zu bestimmen: Sind diese positiv wäre eher L-Thyroxin sinnvoll, sind sie negativ kann man darauf verzichten. Die Bestimmung von fT3 und fT4 ist in diesem Zusamenhang – bei einem TSH zwischen 2,5 mIE/l und dem oberen laborspezifischen Referenzbereich – nicht sinnvoll.

Ihr

Michael Ludwig