Manche Dinge sind zu schön, um sie glauben zu können. In einer Publikation berichtet eine chinesische Arbeitsgruppe über eine Kräuterrezeptur, Yangyin Shugan (YYSG) Kapseln. Diese enthalten laut der Publikation Rehmannia glutinosa, Paeonia lactiflora, Bupleurum chinense, Curcuma aromatica, Cyperus rotundus, Dioscorea opposita und Paeonia rubra. (Xiaojing Cao et al. Therapeutic efficacy of Yangyin Shugan capsules against premature ovarian insufficiency: results from a multicenter, placebo-controlled trial. Menopause 2025; im Druck. DOI: 10.1097/GME.0000000000002602)
Diese Kapseln stammen aus der tranditionell chinesischen Medizin, beziehen sich auf die klassische Formulierung namens „Yiguan Jian“, ursprünglich dokumentiert in der Qing Dynastie.
Die Arbeitsgruppe nun hat diese Medizin eingesetzt bei Frauen mit prämaturer Ovarialinsuffizienz in einer prospektiven, randomisierten placebo-kontrollierten Studie. 228 Frauen erhielten die Wirksubstanz, 117 das Placebo – die Studie wurde von 222 bzw. 111 Frauen komplettiert. Die Frauen waren im Mittel etwa 31 Jahre alt (31,9 ± 3,8 vs. 30,0 ± 4,8 Jahre) bei einem mittleren BMI um 21 kg/m2 (20,4 ± 2,4 vs. 21,3 ± 3,7 kg/m2). Ein modifizierter Kupperman Index verbesserte sich unter der Therapie signifikant mit deutlich stärkerer Absenkung unter der Wirksubstanz (62,4 % vs. 18 %). Auch die Effektivität bei vasomotorischen Beschwerden, Schlafstörungen, Depressionen und sexueller Dysfunktion war höher. Unter der Wirksubstanz sank das FSH (31,6 ± 4,0 auf 8,0 ± 3,8 IE/l, p < 0,05), das AMH stieg (0,5 ± 0,5 auf 3,0 ± 1,5 ng/ml, p < 0,05). Ein ähnlicher aber deutlich geringerer Effekt trat mit Anwendung des Placebo auf sowohl für das FSH (32,65 ± 4,14 auf 22,24 ± 14,82 IE/l, n.s.) wie für das AMH (0,46 ± 0,45 auf 1,21 ± 1,21 ng/ml, p < 0,05). Menstruationen traten in 62,1 % in der Therapie- und 37,8 % in der Placebogruppe auf (p < 0,01).
Was ist der Mechanismus hinter diesem Ansatz der traditionell chinesischen Medizin? Die Autor:innen diskutieren eine FSH-Rezeptor-Modulation. Pro-apoptotische Marker werden reduziert, anti-apoptotische gefördert.
Haben wir also hier eine vielversprechende Therapie für Frauen mit einer prämaturen Ovarialinsuffizienz? Das wäre schlicht revolutionär. Ich verstehe nichts von traditionell chinesischer Medizin. Allerdings wäre ich offen dafür, sie zu befürworten, wenn sie Erfolge für solche Erkrankungen zeigt. Schaut man sich das Studiendesign an, dann fallen die Einschlusskriterien auf. Eingeschlossen waren Frauen mit einer Amenorrhoe oder Oligomenorrhoe über eine Zeit von mindestens 4 Monaten. FSH musste zweimalig über 25 IE/l gemessen worden sein in einem Abstand von mindestens 4 Wochen – entweder in der frühen Follikelphase (Oligomenorrhoe) oder zu einem zufälligen Zeitpunkt (random timing) bei Frauen mit einer Amenorrhoe. Das entspricht durchaus den akzeptierten Diagnosekriterien, ist aber relativ weit gefasst. Vielleicht, vielleicht!, kann dieser Therapieansatz in Fällen helfen, in denen einen relevante ovarielle Rest-Aktivität noch vorhanden ist. Dafür spricht meiner Meinung nach die auch erhebliche Placebowirkung. Ich bin auf weitere Studien gespannt, gerne mit einer Population mit nur amenorrhoischen Patientinnen mit prämaturer Ovarialinsuffizienz bei gleichzeitiger Messung von Östradiol und FSH, nicht nur dem FSH.
Ihr
Michael Ludwig
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