Eine der schwierigsten Fragen bei der Beratung eines unerfüllten Kinderwunsches ist die einer Empfehlung der aktiven Therapie in höherem Lebensalter, zum Ende der reproduktiven Lebensphase. Meiner Meinung nach ist die altersbedingte Subfertilität nicht therapierbar und eine aktive Empfehlung zur IVF allein aufgrund des Alters die falsche Entscheidung. Meine Argumentation dabei ist, dass das zugrunde liegende Problem, eben die eingeschränkte Qualität der Eizellen durch eine aktive und invasive Therapie nicht verbessert werden kann, dass man ggf. den Eintritt einer Schwangerschaft um ein paar Monate beschleunigen kann aber nicht eine Schwangerschaft erreicht, die mit dem Versuch der spontanen Konzeption nicht erreicht werden könnte.

Nun erscheint eine Publikation einer italienischen Arbeitsgruppe zu diesem Thema. (Giulia Mattei et al. Unexplained infertility and age-related infertility: indistinguishable diagnostic entities but different IVF prognosis. Human Reproduction 2024; im Druck: https://doi.org/10.1093/humrep/deae140)

Für ihre Studie hatten die Autor:innen zwei Fragen an den Daten von Frauen zwischen 18 und 42 Jahren im Zeitraum von Januar 2014 und Dezember 2021 geprüft. Die erste Frage war, ob der Anteil derjenigen mit einer idiopathischen Subfertilitität mit dem Alter zunimmt. Die zweite Frage war, ob die Therapieergebnisse sich unterschieden zwischen denjenigen mit idiopathischer Subfertilität und einer kausal erklärbaren. Falls eine IVF-Therapie indiziert sein sollte, um eine altersbedingt-idiopathische Subfertilität zu behandeln, sollte dies an dieser Kohorte sichtbar sein. Die These der Autor:innen war, dass der Anteil von Frauen mit idiopathischer Subfertilität mit dem Alter ansteigen sollte, da zunehmend die alters-bedingte Subfertilität relevant würde. Desweiteren war die These, dass die IVF-Ergebnisse beim Matchen abhängig vom Alter, von der Dauer der Subfertilität und Studienperiode mit steigendem Alter deutlich bessere Ergebnisse zeigen müssten, wenn Frauen mit einer altersbedingt-idiopathischen Subfertilität zu denen mit einer kausal-erklärbaren Subfertilität verglichen wurden.

Im ersten Studienteil wurden 1.535 Frauen, für den zweiten 1.134 Frauen berücksichtigt.

Es ergab sich ein Anteil von 40% gegenüber 52% an Frauen mit idiopathische Subfertilität < 35 Jahre  und ≥ 35 Jahre. Die Wahrscheinlichkeit, mittels IVF zu konzipieren, lag bei Frauen mit idiopathischer Subfertilität in der höheren Altersklasse um etwa 1/3 niedriger als bei den jüngeren (aOR 0,63, 95% KI 0,43 – 0,94), wenn jeweils Frauen mit idiopathischer Subfertilität zu solche mit einer kausal erklärbaren Subfertilität verglichen wurden. Dies, so die Autor:innen, sei ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die IVF die altersbedingte Subfertilität nicht therapiebar macht. Wäre es so, dann dürfte es keinen Unterschied geben zwischen dem Verhältnis zwischen idiopathisch vs. kausal bei älteren und jüngeren, beide Gruppen – idiopathische und kausal erklärbare Subfertilität – müssten altersentsprechend gleich in ihrer Erfolgschance sinken.

Noch mehr eviden wird dies, wenn man kleinere Altersstufen betrachtet und jeweils die Erfolgschance bei idiopathischer Subfertilität gegenüber der kausal-erklärbaren Subfertilität vergleicht. Dann ergibt sich in der Lebendgeburtenrate bei < 35 Jahren ein Unterschied von 47% zu 38% (Referenz), bei 35-36 Jahren von 39% zu 37% (gegenüber der Referenz OR 0,87, 95% KI 0,49 – 1,53), 37-38 Jahre 34% vs. 42% (OR 0,67, 95% KI 0,39 – 1,15), 39-40 Jahre 20% vs. 32% (OR 0,50, 95% KI 0,27 – 0,93) und 41-42 Jahre 7% vs. 18% (OR 0,33, 95% KI 0,10 – 1,08).

Ich finde die Überlegungen hinter der Studie und die vorgelegten Auswertungen exzellent und einen intelligenten Ansatz, die gestellte Frage zu überprüfen. Die Daten belegen sehr eindrucksvoll, dass man eine altersbedingte Subfertilität nicht mit einer IVF therapieren kann.

Ihr

Michael Ludwig