Vier Autorinnen stellen als Vertreterinnen der Organisation die aktuellen Empfehlungen der Society of Family Planing zur Notfallkontrazeption dar. (Jennifer Salcedo et al. Society of Family Planning Clinical Recommendations: Emergency contraception. Contraception, im Druck: doi.org/10.1016/j.contraception.2023.109958)

Anhand der aktuellen Literatur werden entsprechende Empfehlungen abgeleitet und dort zusammengefasst, wobei die Autorinnen neben den beiden gängigen oralen Präparaten mit 1,5 mg LNG und 30 mg Ulipristalacetat (UPA) auch das frühere Yuzpe Schema (100 – 120 µg Ethinylöstradiol und 0,5 – 0,6 mg Levonorgestrel pro Dosis) und das in einzelnen Ländern verfügbare Präparat mit Mifepriston diskutieren. Daneben werden die Kupferspirale und auch die 52 LNG IUD als Notfallkontrazeptiva diskutiert. LNG IUDs sind in Deutschland nach wie vor nicht zur Notfallkontrazeption zugelassen.

Die oralen Präparate mit 1,5 mg LNG und 30 mg UPA sind explizit nur für die Notfallkontrazeption präovulatorisch möglich. Postovulatorisch führen die Präparate nicht zu einer Reduktion der Schwangerschaftswahrscheinlichkeiten. Indirekt zeigt dies auch, dass diese Präparate eben keine Abortiva sind sondern wesentlich über die Verschiebung der Ovulation funktionieren. Die höhere Verhütungssicherheit durch UPA liegt laut den Autorinnen sehr wahrscheinlich daran, dass UPA auch noch wirkt, wenn der LH-Anstieg bereits begonnen, der LH-Peak aber noch nicht erreicht ist. Insofern passt das zu der von mir favorisierten Anwendung von UPA gegenüber LNG, wenn der ungeschützte Verkehr in den 48 h vor der Ovulation stattgefunden hat, also im sogenannten „fertilen Fenster“.

Der prinzipielle Mechanismus einer Kupferspirale ist die toxische Wirkung auf Eizellen und Spermien. Die Autorinnen diskutieren jedoch, dass die extrem hohe kontrazeptive Sicherheit einer Kupferspirale, die sie anhand der verfügbaren Literatur mit knapp 1 Promille angeben, vermuten lässt, dass daneben auch der Fremdkörper an sich mit einer Veränderung von Zytokinen eine Wirkung hat, die die Implantationschancen mindert. Ähnliches gilt vermutlich auch für die 52 mg LNG IUDs, wobei diese daneben über die Wirkung auf den Zervikalschleim und die Endometriumentwicklung wirken. Die Autorinnen empfehlen bei der Abwägung von Kupfer- und LNG IUD letzteres als Präparat der Wahl. Ich weise noch einmal darauf hin, dass ein LNG IUD in Deutschland nicht (!) zur Notfallkontrazeption zugelassen ist.

Es gibt laut der zitierten Literatur keine relevanten Kontraindikationen für die Verschreibung von Notfallkontrazeptiva. Selbst nach dem früheren Yuzpe Regime kam es nicht zu mehr Thrombosen oder Embolien.

Bei höherem BMI werden sowohl die 1,5 mg LNG als auch die 30 mg UPA – Präparate weniger verlässlich – allerdings ist die Einschränkung v.a. für das LNG gegeben. Je nach Review und Meta-Analyse beschreiben die Autorinnen eine 3-8fache Erhöhung ungewollter Schwangerschaften nach Anwendung einer oralen Notfallkontrazeption. Inwieweit dies allein durch Verdoppelung der Dosis reduziert werden kann, ist eine theoretische Überlegung, pharmkologische Daten aus entsprechenden Studien sprechen dafür. Insofenr aber leiten die Autorinnen einen zweiten Vorteil für UPA aus dieser Beobachtung ab: Bei einem Körpergewicht über 70 kg oder einem BMI über 30 kg/m2 sollte UPA gegenüber LNG der Vorzug gegeben werden.

Wechselwirkungen bestehen dadurch, dass beide oralen Substanzen Substrate des Cytochrom P 450 3A4 und Levonorgestrel auch des Cytochrom P 450 3A5 ist. So kommt es zu einer Absenkung der Wirkspiegel bei gleichzeitiger Einnahme des antiretroviralen Wirkstoffs Evavirenz, sowie mit Carbamazepin, Phenytoin, Oxcarbazepin und Esclicarbazepin. Levonorgestrel wird bei gleichzeitiger Anwendung von Lamotrigin ebenfalls reduziert, Lamotrigin ist ein Induktor der Glukuronidase. Die Autorinnen weisen zudem darauf hin, dass eine Wechselwirkung in die andere Richtung besteht, dass über die Hemmung des P-Glykoprotein Wirkspiegel von Digoxin, Colchicin und Fexofenadin ansteigen können.

Die bekannte Wechselwirkung zwischen UPA und hormonellen Kontrazeptiva, wobei letztere die Wirkung von UPA deutlich einschränken kann, führt die Autorinnen zu der auch in der deutschsprachigen AWMF Leitlinie zu findende Empfehlung, mindestens 5 Tage nach Einnahme von UPA ein hormonelles Kontrazeptivum auszusetzen bzw. erst dann wieder damit zu beginnen.

Im Falle einer nicht-bekannten Schwangerschaft oder des Eintretens einer Schwangerschaft nach Einnahme eines Notfallkontrazeptivums besteht laut Literatur kein erhöhtes Risiko, weder für Aborte, noch für Extrauteringraviditäten oder den weiteren Schwangerschaftsverlauf. Die Autorinnen weisen aber auch darauf hin, dass die Daten für Levonorgestrel umfangreicher vorliegen als für UPA.

Besteht während des Stillens die Notwendigkeit, ein orales Notfallkontrazeptivum anzuwenden, so sieht diese Stellungnahme diesbezüglich kein Problem, auch wenn die Fachinformation für UPA darauf verweist, dass die Milch verworfen werden sollte. Nachweislich, so die zitierten Daten, tritt mit beiden oralen Wirkstoffen Medikament in die Muttermilch über.

Ein lesenswertes Manuskript mit zahlreichen Verweisen auf die aktuelle Literatur und nachvollziehbar abgewogenen und evidenz-basierten Empfehlungen.

Ihr

Michael Ludwig