Die FIGO propagiert ein neues System zur Klassifizierung von Zyklusstörungen und der Ursache einer Follikelreifungsstörung. In einem aufwändigen Prozess wurde über mehrere Diskussionsrunden dieses neue System entwickelt nach Klärung bzw. Abstimmung verschiedenster Fragen durch internationale Experten. (Munro et al. The FIGO Ovulatory Disorders Classification System. Fertility & Sterility, im Druck)

Die Autoren arbeiten die Historie der Klassifikation auf und weisen darauf hin, dass mit einer ersten Klassifikation 1973 und einer zweiten 1976 durch die WHO ein Grundstein gelegt wurde. 1993 wurde die Klassifikation überarbeitet und fand so auch Eingang in die englischen NICE Leitlinie. 2011 hatte die FIGO ein eigenes System vorgelegt.

Eine erste bemerkenswerte Mitteilung der aktuellen Empfehlung ist, dass ein unauffälliger Zyklus nicht mehr durch 24-35 sondern durch 24-38 Tage definiert wird. Die Regelmäßigkeit soll bei einer Schwankung von maximal 9 Tagen (Altersklassen 18-25 und 42-45) bzw. maximal 7 Tagen (Altersklasse 26-41 Jahre) gegeben sein.

Ferner finde ich es relevant, wichtig und richtig, dass etwa 2/3 der Expertinnen und Experten zu dem Schluss kamen, dass die Ursache von Follikelreifungsstörungen häufig nicht ersichtlich ist (63,6%). Zudem stellt die FIGO-Kommission klar, dass die „ovulatory disorders“ ein Spektrum haben von einer Follikelreifungsstörung mit verlängerter Follikelphase und später Ovulation bis hin zur Anovulation.

Die Einteilung, die die FIGO vorschlägt, ist zweistufig. Zum einen wird die primär betroffene Ebene benannt – Hypothalamus (Typ I), Hypophyse (Typ II) oder Ovar (Typ III) – zum zweiten die konkrete Ursache, zusammengefasst mit dem Akronym GAIN-FIT-PIE: genetic, autoimmune, iatrogenic, neoplasm – functional, inflammatory/infectious, trauma – physiological, idiopathic, endocrine.  So wäre z.B. eine hyperprolaktinämische Störung durch ein Prolaktinom ein Typ 2 – N. Eine prämature Ovarialinsuffizienz nach einer Chemotherapie ein Typ 3 – I (iatrogenic). Die häufige stressbedingte zentrale Regulationsstörung wäre wohl ein Typ II – I (idiopathic). Einen Typ IV gibt es auch, eine Gruppe für sich, das PCO-Syndrom. Dazu wiederum merken 22% der Expertinnen und Experten an, dass sie die Rotterdam-Kriterien nicht für sinnvoll erachten. Da schließe ich mich spontan an.

Ist dieses System meiner Meinung nach sinnvoll? Grundsätzlich finde ich den Prozess, mit dem dieses System erarbeitet wurde, mehr als bemerkenswert. Grundsätzlich ist es auch überhaupt sinnvoll, ein System zu haben. Schwierig finde ich, dass in der Klassifikation (Typ X – Buchstabe) der Buchstabe „I“ dreimal vergeben wird. Das macht die Bezeichnung dann eher unklar in diesen Fällen (iatrogenic, inflammatory oder idiopathic). Die Darstellung, dass man bei einer kompletten Anovulation immer amenorrhoisch wäre, halte ich faktisch für falsch – es ist klar, dass auch bei einer Anovulation Durchbruchblutungen auftreten können. Die Tatsache, dass das PCO-Syndrom als ein separater „Typ IV“ aus den sonstigen Störungen herausgehoben wird, führt sicherlich nicht zu einer Lösung des von mir schon häufig diskutierten Problems, dass diese Diagnose viel zu häufig leichtfertig und falsch vergeben wird, ohne, dass es der Patientin etwas nutzt, ggf. ihr sogar schadet, weil sie einen Krankheitsstempel bekomme, weil sie ggf in ihrer Gewissheit bestärkt wird, dagegen auch nichts unternehmen zu können. Ich finde nach wie vor die „alte“ WHO-Einteilung nach hypergonadotropen und hypogonadotropen Störungen sowie einer hypothalamisch-hypophysären Störung oder zentralen Regulationsstörung und schließlich anatomische Ursachen sinnvoll und ausreichend für die tägliche Praxis. Die neue Klassifikation erlaubt es, schneller die konkrete Ursache v.a. in der großen Gruppe der zentralen Regulationsstörungen festzustellen.

Ihr

Michael Ludwig