Androgentherapie bei Frauen – immer wieder Thema in Seminaren, bei Fragen. Auch von ärztlicher Seite wird die Androgentherapie häufig propagiert. Von mir nicht. Mein fehlender Enthusiasmus für die Androgentherapie rührt vor allem daher, dass es keine Evidenz für die generelle Integration einer Androgentherapie in die HRT gibt. Es könnte einige wenige Frauen geben, die von einer Androgentherapie profitieren – aber es gibt keine guten, keine verlässlichen Instrumente dafür, diese Frauen zu identifizieren. Die Belege dafür, dass man mildere Symptome – Abgeschlagenheit, Müdigkeit, abnehmende Libido u.v.m. – durch eine Androgentherapie bei einer ansonsten gesunden Frau bessern kann, liegen nicht vor.

Ich verschließe mich nicht der Diskussion zur Androgentherapie und habe in meinem Buch „Peri- und Postmenopause“ vor einigen Jahren dazu auch die Literaturlage dargestellt. Mich stört jedoch die teils große Bereitschaft das „Experiment“ Androgentherapie bei Frauen als eine notwendige Säule der etablierten Hormonersatztherapie darzustellen.

Thema ist dies heute deswegen, weil zwei Autorinnen sich die Mühe gemacht haben, die Literatur seit 1985 bis einschließlich 2021 zum Thema „Androgentherapie bei Frauen“ durchzuarbeiten.

(Margaret E. Wierman und Katja Kiseljak-Vassiliades. Should Dehydroepiandrosterone Be Administered to Women? Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2022; 107: 1679 – 1685).

Eingebettet ist dieser Review in einen Fallbericht zu einer Patientin mit Nebennierenrindeninsuffizienz, was nachweislich einen Androgenmangel zur Folge hat. Selbst bei diesem Patietninnenkollektiv allerdings führt eine Androgensubstitution nur zu bestimmten Vorteilen.

Bei der endokrinologisch gesunden peri- oder postmenopausalen Patientin fehlt laut der beiden Autorinnen nach wie vor die Evidenz dafür, dass eine systemische Therapie mit DHEA einen Vorteil auf menopausale Symptome, sexuelle Funktion, mentale Gesundheit oder das allgemeine Wohlbefinden hat. Lokal kann die DHEA-Therapie zur Behandlung der vulvovaginalen Atrophie eingesetzt werden und ist nachgewiesen dazu auch effektiv (6,5 mg). Daten dazu, dass die DHEA-Gabe effektiver ist als die von 30 µg Östriol, liegen nicht vor. Zudem wird DHEA täglich, Östriol 2-3mal pro Woche appliziert.

Die langfristigen Risiken der Androgentherapie – möglicher Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko, auf das Mammakarzinomrisiko, auf Androgenisierungserscheinungen – sind möglicherweise gering, vielleicht nicht vorhanden. Bei dieser Annahme spielt viel Spekulation mit, weil uns schlicht langfristige Daten fehlen, um dies richtig einschätzen zu können. Da allerdings ein Benefit auf Beschwerden nicht nachweisbar ist sollte man auch nur fraglich mögliche Risiken nicht eingehen.

Ihr

Michael Ludwig