Gestagene sind die ausschlaggebende Substanz bzgl. des Mammakarzinomrisikos im Rahmen einer Hormonersatztherapie. Relevant sind dabei offenbar Metabolite – die malignom-inhibierenden 4-Pregnene (z.B. 3 aDihydroprogesteron) und die Malignom-fördernden 5 a Pregnane (z.B. 5 a Dihydroprogesteron). Progesteron wird postmenopausal im Wesentlichen in der Nebennierenrinde gebildet, zusätzlich im Fettgewebe und im Brustgewebe selbst. Um die Bedeutung der Progesteronproduktion postmenopausal zu klären wurden Daten einer langfristigen Fall-Kontroll Studie an postmenopausalen Frauen ausgewertet, der Breast and Bone Follow-up to the Fracture Intervention Trial (B – FIT) (Britton Trabert et al. Association of Circulating Progesterone With Breast Cancer Risk Among Postmenopausal Women. JAMA Network Open. 2020;3(4):e203645. doi:10.1001/jamanetworkopen.2020.3645). Die 900 eingeschlossenen Frauen waren bei der Blutentnahme im Mittel 67,2 ± 6,2 Jahre alt, das Mammakarzinom bei den betroffenen Frauen (n = 405) wurde im Alter von 73 ± 6,4 Jahren diagnostiziert. Je höher der Progesteronspiegel desto höher war das Mammakarzinomrisiko, das Risiko für Mammakarzinome war bei höherem Progesteronspiegel um 16% erhöht (HR 1,16, 95% KI 1,00 – 1,35, p = 0,048) (gerechnet pro 1 Standardabweichung höher). Für keinen der Metabolite ergab sich ein signifkanter Zusammenhang, auch fehlte eine nachweisbare Abhängigkeit für die Progesteron-Östradiol-Ratio. Allerdings ergab sich eine andere interessante Beobachtung: waren die Östradiolspiegel niedrig, unter 6,5 pg/ml, wirkte sich Progesteron protektiv aus (pro 1 höhere Standardabweichung HR 0,38, 95% KI 0,15 – 0,95, p = 0,04). Lagen die Östradiolspiegel aber über 6,5 pg/ml war ein höherer Progesteronspiegel mit einem höheren Mammakarzinomrisiko assoziiert. Das Risiko lag bei einer HR 1,18 (95% KI 1,04 – 1,35) pro höhere Standardabweichung (p = 0,04).

Klinisch bestätigen diese Daten bekannte Beobachtungen: Progesteron hat eine proliferative Wirkung auf das Brustgewebe, dies wirkt sich jedoch nur vor dem Hintergrund einer Östrogenisierung aus. Es erklärt auch, warum Progesteron im Rahmen einer HRT, bei der die Östradiolspiegel definitiv deutlich über 6,5 pg/ml liegen, eine Auswirkung auf das Mammakarzinomrisiko hat. Dazu passt auch die Beobachtung, dass die Östrogenmonotherapie eine geringere Auswirkung hat bzw. sich diese Auswirkung nur zeigt, wenn substantiell Progesteron und seine Metabolite durch das Fettgewebe gebildet werden.

Ihr

Michael Ludwig