Schilddrüsenfunktion und Schwangerschaft … Bis das Rätsel gelöst ist vergehen vermutlich noch ein paar Jahre. Schwierig ist, dass im Raume steht, dass ein erhöhtes TSH – wie hoch auch immer das sei – ggf. einen negativen Einfluss auf das ungeborene Kind und den Schwangerschaftsverlauf haben könnte. Für die Schwangere selbst scheint das TSH unkritisch zu sein, die Fertilität wird dadurch ebenfalls nicht beeinflusst – das kann man alles als mittlerweile bewiesen ansehen.

Mit der Schwangerschaft und v.a. der Bedeutung für das Ungeborene ist es schwieriger. Um die Bedeutung des TSH dafür oder die Irrelevanz zu beweisen braucht man Daten zum TSH in der Schwangerschaft, Daten über die Schwangerschaft, Daten des geborenen Kindes und v.a. follow-up Daten des Kindes mit validierten und systematischen Untersuchungen in einem höheren Lebensalter.

Für mich ist der aktuelle Stand so, dass eine manifeste Hypothyreose definitiv einen Nachteil für das Kind hat, ein TSH von über 2,5 mIE/l aber unterhalb des oberen Referenzbereiches vermutlich (!) irrelevant ist. Da ich aber „in dubio pro reo“ denke, sage ich mir, dass ich – solange nicht sicher das Gegenteil bewiesen ist – lieber das TSH prüfe und es im Zweifelsfall mit L-Thyroxin auf unter 2,5 mIE/l senke.

Warum ich heute dazu schreibe? Weil eine weitere Studie online erschienen ist, die sich mit der Schilddrüsenfunktion und ihrer Beduetung für Schwangerschaft und Geburt beschäftigt (Sun Y. Lee et al. Associations between Maternal Thyroid Function in Pregnancy and Obstetric and Perinatal Outcomes. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, im Druck). Dies ist eine retrospective Datenanalyse von 8.413 Einlingsschwangerschaften. Bei 130 Frauen lag das TSH in der Schwangerschaft bei über 4,0 mIE/l. Dies war assoziiert mit Frühgeburtlichkeit (RR 2,17, 95% KI 1,15 – 4,07) und einem respiratory distress syndrome des Neugeborenen (RR 2,83, 95% KI 1,02 – 7,86). Die Risiken für Aborte (RR 1,62, 0,62 – 3,07), Präeklampsie (RR 1,44, 95% KI 0,70 – 2,98) und niedrigem Geburtsgewicht (RR 2,14, 95% KI 0,78 – 6,07) waren ebenfalls erhöht, der Zusammenhang aber nicht signifikant.

Meine Schlussfolgerung aus den Daten ist, dass ich bei meiner Auffassung bleibe, großzügig L-Thyroxin gebe bei einem TSH über 2,5 mIE/l, wobei in dieser Studie der cut off bei 4,0 mIE/l lag – also noch höher als 2,5 mIE/l. Ich verweise deswegen darauf, weil es immer noch die Meinung gibt, man müsse noch strenge mit dem TSH umgehen. Das stützt keine einzige Studie mehr heutzutage. Tatsächlich aber, das müssen wir auch berücksichtigen, stützen die Daten nicht die Auffassung, dass ein Absenken des TSH die Risiken mindert – das müssten weitere Studien zeigen. Belegt ist hier nur die Assoziation.

Ihr

Michael Ludwig